Die Völker von Mittelerde und ihre literarische Herkunft

© Frank Weinreich


 

Wie es sich für eine gestandene Fantasywelt gehört, ist auch Mittelerde von einer Vielzahl vernunftbegabter aber nichtmenschlicher Völker sowie einiger Fabeltiere bewohnt. Ich möchte ab jetzt in diesem Zusammenhang gerne von Rassen sprechen, da die Begrifflichkeit zutreffender ist, denn es handelt sich nicht um verschiedene Volksstämme von Menschen, sondern um ganz andere Wesen, eben andere Rassen.

Leider wird Tolkien immer wieder unberechtigt Rassismus vorgeworfen, weshalb ich eingangs dieser Betrachtungen zunächst lieber von Rassen sprach. Der Begriff Rasse bezieht sich aber einzig auf die verschiedenartige biologische Klassifizierung – so wie es auch Tolkien meinte, wenn er von „races“ sprach (etwa L, 176).

Natürlich soll eine Vielzahl von exotischen Wesen kein Gütekriterium für Fantasyliteratur sein, es gibt eine ganze Reihe von Büchern und Erzählungen, deren Welten mit Geschöpfen auskommen, die wir auch auf unserer Erde finden. Aber natürlich steigern Drachen, Elfen und Zwerge den märchenhaften Charakter einer Welt ganz ungemein und sorgen für zusätzliche Faszination.

In Mittelerde dienen die nichtmenschlichen Rassen jedoch nicht nur der Verfremdung, sondern sie sind die eigentlichen Handlungsträger. Die Menschen haben zwar in den Personen Aragorns, Boromirs, Faramirs und einiger anderer wichtige Rollen inne, doch sie treten hinter die Elben und Hobbits zurück. Was aber sind das für Wesen und woher kommen die Motive für Zwerge, Ents und so weiter? Darüber möchte ich jetzt kurz etwas erzählen.

Einige der Rassen Mittelerdes sind genuine Schöpfungen Tolkiens, andere haben mehr oder weniger direkte Vorbilder aus der Sagenwelt und zwar meist der nordeuropäischen Sagen, die Tolkien so gut kannte. Unser Autor machte auch keinerlei Geheimnis daraus, woher er ein Motiv genommen hatte und berichtet in der Korrespondenz mit Verlegern und Freunden bereitwillig davon.


 

I
Hobbits

Eine ureigene Schöpfung (vgl. Shippey 2003, 65-70) Tolkiens sind die Hobbits – die äußerlich unscheinbarsten Wesen Mittelerdes und doch die eigentlichen Helden des Hauptwerkes. Bilbo Beutlin findet den Ring und befreit mit seiner Listigkeit die alte Zwergenstadt im kH. Im HdR sind es sogar schon vier Hobbits, die an zentraler Stelle im Handlungsstrang stehen. Wenn Mittelerde denn gerettet wird, so liegt dies jetzt fast gänzlich in der Hand von zweien der kleinen Leute. Und auch Gollum ist ja ursprünglich unter dem Namen Smeagol als Hobbit geboren worden. Im S spielen die Hobbits allerdings keine Rolle.

Hobbits haben kein sagenhaftes oder literarisches Vorbild und erblickten im Sommer 1930 das Licht der Welt. David Day, der ein ganzes Buch über sie geschrieben hat, vertritt die These, daß die Geschichten aus Mittelerde um den Begriff Hobbit herum entstanden sind –das halte ich für ein wenig übertrieben. Tolkien hätte sich auch sicherlich nicht vom Erzählen abhalten lassen, wenn ihm dieser Name nicht eingefallen wäre. Aber er sagte später selbst einmal, daß „Namen immer eine Geschichte im Geist erzeugen“. Weiter sagte er daß, als auf einmal der schicksalhafte Satz „In einer Höhle im Boden, da lebte einst ein Hobbit“ auf einem Schreibblock vor seinen Augen gestanden habe, er dann beschloß, das es wohl „besser sei, einmal herauszufinden, was Hobbits eigentlich sind“ (Day 1997, S. 10).

Der Name Hobbit kommt vom altenglischen Wort „holbytla“, was etwa soviel heißt wie Höhlenbauer (eine überzeugende Diskussion der Genese des Wortes Hobbit bietet Shieppey 2003, S. 65-70).

Sie sind kleine, etwa bis zu ein Meter und zwanzig groß werdende Wesen, die ein wenig wie zu dicke Kinder aussehen – wenn man von ihren unproportional großen und äußerst stark behaarten Füßen absieht. Viele Interpreten Tolkiens haben sie als Hommage an die einfachen, aber ehrlichen Bauersleute Mittel- und Südenglands angesehen. Wobei einfach nicht geistig schlicht heißt – im Gegenteil zeigen Bilbo, Frodo und auch Sam erstaunliche geistige Beweglichkeit. Die Hobbits sind mit ihrer bodenständigen Erdverbundenheit und ihrem unheroischen Habitus für mich so etwas wie der Humus von Mittelerde. Zugleich wird das Leben der Hobbits in stark idealisierter Weise dargestellt: sie leben in einer nahezu konfliktfreien kleinen Welt, die von liebevollem Miteinander und echter Kommunalität gekennzeichnet ist. Colin wilson bezeichnet das Auenland und das Leben der Hobbits zu Recht als Paradies ohne religiöse Konnotationern, als „secular paradise“ (Wilson 1974, S. 24).

Es scheint übrigens klar zu sein, dass die Hobbits sich später im vierten Zeitalter immer stärker in Richtung Mensch entwickeln und dass sie letztlich in den Menschen aufgehen, aus denen sie irgendwann im Dritten Zeitalter überhaupt erst entstanden waren. Ja, und manchmal, habe ich das Gefühl, dass ich wohl auch irgendwo einen Hobbit unter meinen Vorfahren gehabt haben muss.

Hobbits haben seither in der phantastischen Literatur eine erstaunliche Karriere gemacht. Sie sind jetzt in den Welten vieler Schriftsteller zuhause. In all diesen Welten – soweit ich sie kenne – haben sie dabei ihr Aussehen und Wesen nahezu unmodifiziert bewahrt – was man angesichts der Vielzahl mehr oder minder veränderter Zwerge, Elfen und Drachen nur selten beobachten kann. Auch dies ist vielleicht ein bewußter oder unbewußter Tribut an Tolkiens Schöpfungskraft.

II
Elben

Sind die Hobbits der Humus, so kann man die Elbenwohl als fleischgewordene Phantasie und die Verkörperung des Träumerischen und Dichterischen von Mittelerde bezeichnen: „Ihr Zweck ist Kunst, nicht Macht“ schreibt Tolkien von ihnen in einem Brief (Pesch 1984, 30) und in einem weiteren Brief bezeichnet er sie als künstlerischen und wissenschaftlichen Aspekt des Menschlichen (Carpenter 1995, Letter 181, S. 236); „They are a fair folk and wonderful, and they have a power over the hearts of men“ lässt er den Menschen Sador in The Children of Húrin sagen (Tolkien 2007, 44). Und in gewisser Weise sind sie ebenfalls eine eigene Schöpfung Tolkiens, auch wenn er sich bei Ihrem Entwurf in großem Maße auf literarische und mythologische Vorbilder stützte (Tom Shippey hat in den Tolkien Studies einen sehr instruktiven Artikel über die Herkunft der Elben geschrieben: Light Elves, Dark Elves, and Others; Shippey 2004). Andererseits lassen sie sich allerdings aus den Mythen und Volksmärchen ableiten. Die keltische und nordische Sagenwelt kennt eine ganze Reihe von Elfen, Feen, Dryaden und Kobolden. Sie treten in vielerlei Gestalt auf und ihr Wesen reicht von scheuer Freundlichkeit bis zu boshafter Koboldsmanier. Gemeinsam ist ihnen aber neben der meist kleinen bis winzigen Gestalt eine tiefe spirituelle Verbindung mit der Natur auf der einen Seite und ein übernatürliches, magisches Wesen auf der anderen Seite. So gesehen verkörpern die ausdrücklich das Meer wie die Bäume liebenden Elben auch eine Verquickung zweier alter literarischer Bilder für das Statische und das Dynamische (vgl. Todorov 1975, 17f.) und damit eine gewisse Allumfassendheit des Seienden in Mittelerde. Aus anthropologischer Sicht stammen die Geschichten über Feenwesen wahrscheinlich aus dem frühmenschlichen Glauben an eine Beseeltheit der Natur. Die Magie und die Naturverbundenheit der Elfen finden wir in Tolkiens Elben getreu dem Sagenvorbild wieder. Übrigens stammt das Wort Elben aus einem Übersetzungsfehler – Tolkien schriebt im Englischen von elves = Elfen.

(Elben heute: ein echtes Elbenohr, von mir fotografiert 2003)

Allerdings sind die Elben Mittelerdes weder scheu noch winzig, sondern im Angesicht der Menschen mächtig und von ehrfurchtgebietender Weisheit und Schönheit. Desweiteren sind sie unsterblich und haben mit ihrem direkten Zugang zu den Ainur eine starke Verbindung zum Göttlichen. Es führt also kein direkter Weg von den Feen der nordischen Mythen zu den Elben von Mittelerde. Tolkien schrieb über ihre Entstehung: “ Sie sind vom Menschen nach seinem Bilde und ihm ähnlich geschaffen, doch frei von jenen Beschränkungen, von denen er selbst sich am stärksten bedrückt fühlt. Sie sind unsterblich und ihr Wille bewirkt direkt, daß Vorstellungen und Wünsche sich erfüllen“ (zit. n. Carpenter 1977, S. 113). Carpenter schreibt über Tolkiens Elben, „sie sind […] im Grunde Menschen, genauer Menschen vor dem Sündenfall, der sie ihrer schöpferischen Kräfte beraubt hat“ (113). In diesem Sinne sind die Elben eine genauso ureigene Schöpfung Tolkiens wie die Hobbits.


 

III
Zwerge

Ganz im Gegensatz zu den Zwergen, die in unzähligen Sagen aus aller Welt eine Rolle spielen. Die Zwerge Mittelerdes weisen alle Merkmale auf, die wir schon als kleine Kinder, in dem Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen kennengelernt haben.

Zwerge sind klein, haben lange Bärte, leben vom Bergbau und man fragt sich wie sie sich vermehren, denn fast nirgendwo werden Zwerginnen erwähnt. Auch die von Tolkien den Zwergen Mittelerdes zugewiesene grüblerische und zurückhaltende bis unfreundliche Wesensart, die Schneewittchen glücklicherweise nicht vorfand, ist nicht neu, sondern entspricht dem Bild der nordischen Zwergenschmiede, das bspw. die Edda zeichnet.

Die Zwerge spielen in den Geschichten von Mittelerde keine so große Rolle wie Elben und Hobbits. Doch ihre bergmännische Art macht sie zum Mark der Erde. Die Mitgliedschaft Gimlis in der Gruppe der Gefährten komplettiert die Allianz aller freien Völker im Krieg gegen Sauron. Und schließlich ist die Freundschaft zwischen Gimli dem Zwerg aus der Tiefe der Berge und dem ätherischen Legolas eine der schönsten Nebenhandlungen des HdR. Die Zwerge sind die Schöpfung eines der mächtigsten Ainur, nämlich Aule, dessen Vorliebe für das Handwerk sie verkörpern.


 

IV
Ents

Eines der schönsten Erlebnisse, die der HdR zu bieten hat, ist der Augenblick in dem man die Baumhirten kennenlernt, die Ents (oder Onodrim, wie sie von den Elben genannt werden). Sie spielen eine vergleichsweise kleine Rolle, aber sind doch ein beeindruckender Ausdruck der Liebe Tolkiens zu Bäumen und zur Natur überhaupt. Aber die Ents stehen für och mehr als die Liebe zur Natur, sie sind auch ausdruck „für die Kraft der Natur“ und deren Fähigkeit, die „sie immer mehr einengende Zivilisation […] zu überwinden“ (Simek 2005, 91). Die Ents haben wie die Hobbits keine literarischen Vorbilder und sind eine reine Schöpfung des Autors. In ihrer Knorrigkeit und ihrer langsamen Überlegtheit zeigen sich meiner Meinung nach Charakterzüge von Tolkien selbst. Wenn er neben seiner Chronistenrolle und als Tom Bombadil irgendwie Eingang in seine eigenen Geschichten gefunden hat, dann als Ent! Neben den Ents gibt es auch die Huorns, das sind zwar Bäume, aber diese Bäume sind belebt und können sich unter Umständen wie großer Gefahr oder großem Zorn bewegen und sogar kämpfen wie Saruman zu seinem Leidwesen feststellen muss. Huorns sind keine Ents, sie gehören zur Welt der Flora. Ents indes gehören zur Fauna, sie können aber in hohem Alter „baumisch“ werden und werden dann zu Huorns oder sind zumindest nicht mehr von ihnen zu unterscheiden.


 

V
Orks

Neben Lebwesen, die vom Bösen korrumpiert wurden, wie den Nazgul, dem Balrog und den Menschen aus dem Osten und Süden sind die Orks die Hauptstreitmacht des Bösen. Der Name scheint von dem altenglischen Begriff „Orcneas“ zu stammen, der untote Dämonen im besonderen und Unholde im allgemeinen bezeichnete (Shippey 2000, S. 88; Day 1997, S. 55). Mehr als diese sprachliche Wurzel scheint Tolkien nicht aus der Sagenwelt genommen zu haben, denn die Orks als fehlgeschlagene Nachäffung der Elben haben keine direkten Vorbilder. Allerdings ist das Motiv, der fehlgeschlagenen, der häßlichen und bösen Schöpfung, durch eine unautorisierte oder einfach nur unfähige Macht nicht völlig neu. Auch der Teufel des Christentums versucht, Gott gleich, etwas zu erschaffen und muß doch immer scheitern. Aus der antiken religiösen Bewegung der Gnosis ist die Figur des Demiurgen bekannt. Der Demiurg – das altgriechische Wort bedeutet Handwerker – ist der mit gottähnlicher Macht begabte Schöpfer der physischen Welt, die in der Gnosis als gegenüber der Welt des Geistes minderwertig angesehen und verachtet wird. Die Orks werden im HdR als Wesen charakterisiert, die es lieben mit Maschinen zu arbeiten, die Natur zu zerstören und die lebenden Wesen zu quälen. Interpreten haben sie deshalb immer wieder als Verkörperung von Tolkiens Technikfeindlichkeit bezeichnet. Da mag etwas dran sein, doch mir ist diese Interpretation wiederum zu allegorisch und rückt die Orks näher an unsere Welt heran als Tolkien dies meiner Meinung nach gewollt haben kann.


 

VI
Drachen

Eine weitere böse Rasse Mittelerdes sind die Drachen. Zu Beginn des dritten Zeitalters hatten wohl nur wenige den Fall Morgoths überlebt. Neben Smaug, dem Drachen aus dem kH, wird ausdrücklich nur noch ein Kaltdrache erwähnt, der gute 400 Jahre vor den Ereignissen des HdR den Zwergenkönig Dain I. erschlug.. Im S werden für das erste Zeitalter noch viele Drachen erwähnt. Sie sind Geschöpfe Morgoths, der sie für den Einsatz im Krieg gezüchtet hat. Die mächtigsten Drachen verfügten auch über Magie. Drachen sind natürlich in den Sagen und Mythen aller Völker beheimatet. Sie sind wahrscheinlich Übertreibungen aus der Beobachtung von Reptilien wie Waranen und Leguanen. Das Wort Drache leitet sich allerdings vom altgriechischen drakon ab, das ist das Wort für Schlange. Drachen tauchen in den Mythen in den verschiedensten Formen auf. In Asien sind es hauptsächlich flugfähige Riesenechsen, die Feuer spucken (und Glück bringen), während die nordischen Sagen auch noch den frostspeienden Lindwurm kannten, der nicht fliegen kann. Zudem wurden Drachen im Abendland meist mit dem Bösen assoziiert. Tolkien baut in das erste Zeitalter beide Arten ein und berichtet auch noch von jenen flugunfähigen aber mit Feueratem versehenen Drachen, die er Uruloki nennt.


 

VII
Zauberer

Drei Sonderfälle von Wesen gibt es im HdR – die Ainur (Valar und Maiar), die Zauberer und Tom Bombadil. Daran, Tom zu erklären, haben sich Generationen von Lesern die Zähne ausgebissen. Er ist offensichtlich weder Mensch noch Elb. Das Geheimnisvollste an ihm ist, daß der Ring, den nicht einmal Gandalf berühren mag, Tom nichts anhaben kann. Tolkien hat Tom nirgendwo explizit erklärt – er konnte oder wollte es wohl nicht. Die Erklärungsversuche Anderer reichen von der Bezeichnung Elementargeist bis zu der Behauptung, Tom sei der Schöpfergott Iluvatar selbst. Ich bin mir sicher zu wissen, was oder wer Tom Bombadil ist. Aber selbst wenn man meiner Lesart nicht folgen will, ist klar, er trägt ein erratisches Element des Unerklärlichen in die Schöpfung unseres Autors hinein. Ich habe in Chris Graefs Redbook einen Artikel veröffentlicht, der meine Sicht Toms erklärt, der jetzt auch auf polyoinos zu finden ist und zudem eine Kurzgeschichte geschrieben (whi is also to be found in English), die meine Interpretation poetisch umsetzt: Im Gegensatz zu den meisten anderen Interpreten halte ich Tom nicht für eine originäre Figur aus Tolkiens fiktivem Universum, sondern für eine halb witzige, halb melancholische Übertragung von Tolkien selbst, der sich auf diese Weise an der eigenen fairy story teil haben ließ (zu fairy stories siehe „Über Märchen“ und die die „Zwei Universen“).

Das Wesen der Zauberer bleibt im HdR ähnlich unklar. Aber im S erfährt man, daß die Zauberer oder Istari offensichtlich zu Beginn des dritten Zeitalters erstmals auftauchen. Sie sind von den Ainur gesandt worden und es handelt sich ebenfalls um Maiar, die den guten Kräften in der Welt gegen den gerade wieder erstarkenden Sauron zur Seite stehen sollen: „they must be mighty, peers of Sauron“ (UT, S. 410, s.a. S. 411: „they [the Istaria], were all Maiar“). Denn die Ainur hatten ja mit dem Ende des zweiten Zeitalters die Möglichkeit der direkten Intervention auf Mittelerde verloren.

Es handelt sich bei den Zauberern also nur während des dritten Zeitalters um Sonderfälle, da Maia im ersten und zweiten noch auf Mittelerde lebten und es im vierten dann auch mit der letzten Fahrt Gandalfs gar keine mehr gab. Es wurden wahrscheinlich insgesamt nur fünf Zauberer ausgesandt (auch wenn sie teils als Oberhäupter einer größeren Gruppe, des Ordens der Zauberrer – Heren Istari – bezeichnet werden) und nur drei spielen eine Rolle im HdR oder dem H: Saruman der Weiße (und später Vielfarbige), Gandalf der Graue (und später Weiße) und Radagast der Braune (und der spielt nur eine sehr kleine Rolle). Die beiden fehlenden Zauber waren die Blauen Zauberer namens Alatar und Pallando. Die Materialien über die Istari sind in einem eigenen kleinen Kapitel in den Unfinished Tales zusammengestellt (UT, S. 405-420).

Gott, der in Tolkiens Geschichten den Namen Iluvatar trägt, hatte zuerst die Ainur geschaffen – Wesen, die am ehesten mit den Engeln des Christentums vergleichbar sind, im S und den nachgelassenen Geschichten aber auch die Funktionen von Göttern wie in klassischen Sagen oder anderer moderner Fantasy haben. Die Ainur teilen sich auf in die Valar (das bedeutet, „die Mächte“) und die Maiar („die Schönen“). Die Maiar sind weniger mächtig als die Valar, sind aber allen anderen Wesen immer noch bei weitem überlegen. Das hierarchische Verhältnis von Valar und Maiar lässt sich annähernd als das von Erzengeln und Engeln beschreiben. In der Person Gandalfs wird der dienende Charakter der Maiar besonders deutlich (vgl. Schneidewind 2001 —› Istari). Interessant ist, dass die Ainur wie die christlichen Engel ‚fallen‘, also böse werden können. Wie im Christentum ist es der mächtigste der Valar, Melkor, den Feanor später Morgoth, den „Dunklen Feind der Welt“ nennt, der von Gott abfällt und die Rolle des Teufels übernimmt (lies mal den interessanten Beitrag zu Melkor in Schneidewinds Tolkien-Lexikon nach!) und zudem weitere Ainur auf seine Seite zieht. Der Balrog ist – ebenso wie Ungoliant, die Mutter Kankras – ein dem Bösen anheim gefallener Maia. Die Maiar erwiesen sich am Beginn von Mittelerde für Morgoths Einflüsterungen als zugänglicher denn die Valar. So gelang es ihm, viele auf seine Seite zu ziehen. Zum Zeitpunkt des Ringkrieges leben wohl nur noch drei Maiar auf Mittelerde: Gandalf, der Balrog in Moria und Sauron selbst, der der mächtigste der bösen Maiar war.


 

VIII
Menschen

Die Menschen Mittelerdes zum Zeitalter des Ringkrieges sind die gleichen Wesen wie wir selbst. Sie unterscheiden sich weder im Aussehen noch in ihren Fähigkeiten von uns, allenfalls ihr Wesen wird von Tolkien oft so unfreundlich geschildert, daß ich hoffe, das wir uns doch wenigstens darin unterscheiden – man denke nur an Lutz Farning. Allerdings klingt in den Waldläufern, den Dunedain, und besonders in Aragorn die alte Größe der Menschen aus den früheren Zeitaltern an. Anfangs waren die Menschen Mittelerdes nämlich sehr viel langlebiger und stärker als zu der Zeit, in welcher der HdR spielt. An dieser Stelle klingt die Erinnerung an eine legendäre Altvorderenzeit an, in der Menschen übermenschliche Eigenschaften hatten. Dieses Motiv finden wir in den Erzählungen vieler Kulturen. Altgriechische Sagenhelden wie Perseus oder Aeneas oder der babylonische Sagenkönig Gilgamesch sind solche ‚Menschen mit Übergröße‘.

Das Motiv der Langlebigkeit der frühen Menschen finden wir auch in der Bibel, so soll Abraham es ja bekanntlich auf über 900 Lebensjahre gebracht haben.

Dies waren nicht alle Geschöpfe und Rassen, die in Mittelerde auftauchen, man denke nur an Beorn, der sich in einen Bären verwandeln kann, und die Beorlingas und an die Flußnymphe Goldbeere, Tom Bombadils Frau. Doch weiteres würde diesen Rahmen sprengen.

(Bochum 10/99)