Neun Freunde und der Ring der Macht
Teil I
© Frank Weinreich
Vorüberlegungen
Seit ich diese Seiten unterhalte, drängt sich mir eine beunruhigende Entdeckung mehr und mehr auf. Und das sind die vielen jungen und sehr jungen Leserinnen und Leser von Tolkiens Büchern. Der Herr der Ringe ist eigentlich ein tolles Buch. Doch haben wir es nicht auch mit einer ganzen Reihe bedenkenschwerer Umstände in Tolkiens Büchern zu tun? Werden dort nicht etwa fragwürdige Verhaltensweisen vorgelebt? Wieviele Jugendliche mögen beispielsweise durch Bilbos und Gandalfs Beispiel ermutigt worden sein, mit dem Rauchen zu beginnen? Oder die Gewalt. Sollte man nicht gerade Kindern und Jugendlichen vor Augen führen, dass Konflikte sich auch anders lösen lassen? Muss man ihnen nicht näherbringen, dass nur Recht und Ordnung Sicherheit bringen? Das fängt doch schon im „Hobbit“ an, wenn Bilbo nicht nur als Meisterdieb gefeiert wird, sondern sich auch noch herrenlosen Schmuck einfach so aneignet, ohne auch nur zu versuchen, ihn dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Nein, ich denke nicht, dass solche Lektüre einfach so in die Hände von Kindern und Jugendlichen oder auch leicht beeinflussbaren Erwachsenen gegeben werden sollte. Doch dem kann und soll an dieser Stelle entgegengewirkt werden:
Von tiefer Sorge darüber erfüllt, was der Herr der Ringe in seiner Originalfassung in den Herzen darauf unvorbereiteter Kinder und Jugendlicher anrichten mag, habe ich mich entschlossen, die an sich großartige, aber leider politisch nicht korrekte Erzählung neu zu fassen. Neu zu fassen in einer Weise, die es vermeidet, dass unschuldige Seelen Schaden nehmen.
In Erinnerung an die herzerfrischend sorglosen, doch mit ihrer eigenen Form von Spannung erfüllten Geschichten von Enid Blyton, möchte ich Euch also hiermit die Erzählung vorstellen.
I
Es war Nachmittag in Hobbingen, der Nachmittag von Bilbos hundertelfzigstem Geburtstag und an diesem Abend sollte die größte Geburtstagsparty steigen, die das Auenland je erlebt hatte. Aber noch war es nicht soweit als der Hobbit Bilbo und sein weiser väterlicher Freund Gandalf in der wärmenden Septembersonne vor Bilbos Wohnhöhle saßen. Bilbo begann, sich eine Pfeife zu stopfen als er zu Gandalf sagte:
„Ach, heute ist doch ein wunderbarer Tag, um Geburtstag zu feiern. Doch warte, lass mich Dir eben ein auch Pfeifchen holen.“
„Nein danke.“, lehnte der schmale, graugewandete Zauberer ab, „Ich bin davon ja völlig ab. Weißt Du nicht, das Rauchen gesundheitsschädlich ist. Heute rauchen doch nur noch die Schergen des Bösen. Wart´ mal, ich hab da was für Dich.“ Gandalf kramte in einer seiner tiefen Taschen rum und holte ein kleines, in grünes Laub eingeschlagenes Päckchen hervor, das er sogleich auszuwickeln begann. Zum Vorschein kamen einige blasse Streifen aus einem Bilbo unbekannten Material. „Hier, Bilbo, versuch mal: Toby ohne Zucker.“
„Was ist das?“
„Die Brandybocks haben es erfunden, sie nennen es Kaugummi.“
Vorsichtig hatte Bilbo einen der Streifen in seinen Mund geschoben und begann zu kauen. Ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. „Mmmm, lecker. Das ist ja wirklich viel besser als dieses stinkige Kraut zu verbrennen!“
„Und das mein lieber Bilbo“, sagte Gandalf, „Das ist noch nicht alles. Man kann damit noch viel mehr Spaß haben.“ Er verstummte und plötzlich mahlten seine Kiefer so schnell, dass man fürchten musste, sie brächen gleich. Dann griff sich der Zauberer in den Mund, holte eine kleine Figur heraus und legte sie Bilbo behutsam in die ausgestreckte Hand. Dieser glaubte seinen Augen nicht trauen zu können. In seiner Hand lag die nur Zentimeter große Figur eines Zwergs … eines bekannt aussehenden Zwergs … das war doch … ja, wirklich, Thorin Eichenschild in all seiner grimmen Pracht und deutlich zu erkennen bis zum letzten Barthaar. „Ja“, ertönte des Zauberers Stimme stolz, „Rauchringe vergehen, aber das hier bleibt und ich bin darin mittlerweile ebenso geschickt wie in allen anderen Dingen, deren ich mich befleißige.“
“ Das ist ja wunderbar, Gandalf. Darf ich es behalten?“
„Ja sicher, mein Lieber. Warte zwei, drei Minuten, dann wird die Figur hart und man kann sogar damit spielen. Fakt ist“, selbstzufrieden strich der Graue sich über den langen Bart, „Fakt ist sogar, dass ich mit Gerstenmann Butterblume in Bree ein Geschäft laufen habe. Er backt meine Figuren in Schokoladeneier ein, verkauft sie an die Kinder und wir teilen uns den Gewinn. In jedem siebten Ei ist jetzt schon was von mir dabei.“
Sorglos saßen die beiden Freunde auf der Wiese vor Bilbos Smial und lachten. Ja, liebe Kinder, so kann man leben, wenn man ehrlichen Geschäften nachgeht. Nur war das nicht immer so gewesen. In Bilbos Vergangenheit gab es einen dunklen Punkt, der Gandalf seit Jahrzehnten störte und von dem er wusste, dass sie nun an Bilbos hundertelfzigstem Geburtstag darüber reden mussten.
Bilbo sagte gerade: „Ich freue mich schon sehr auf den heutigen Abend. Zumal wenn man bedenkt, dass dies mein letzter Geburtstag im Auenland sein wird. Weißt Du, ich möchte den Jungen nicht auf der Tasche liegen. Ich ziehe ins Seniorenheim nach Bruchtal, wo all die Elfen leben, die ja schon seit Jahrhunderten die Altersgrenze überschritten haben, und werde meinen Besitz dem jungen Frodo überlassen.“
„Das ist eine sehr löbliche Einstellung, mein lieber Bilbo. Halt´ Dich ruhig an diesen Plan – aber halt Dich an den ganzen Plan, ja?“
„Jaja, Sam bekommt eine Apanage für die Gartenpflege, Rosie eine für Sams Pflege und Frodo hat endlich sturmfreie Bude.“
„Und der Ring? Du hast versprochen, ihn hierzulassen, damit ich ihn wegbringen lassen kann.“
„Was ist denn bloß mit diesem Ring? Gut er ist magisch, das habe ich auch gemerkt, wie Du weißt. Und das heißt, dass er mir manchmal … mmm … recht nützlich war. Aber, mein Gott, was willst Du gerade mit meinem … Schatzzz.“
„So ist der Ring schon früher genannt worden. Doch nicht von Dir. Ich frage mich wirklich, ob dies nicht der …, na egal, ich werde weitere Informationen einholen müssen. Vertraue mir. Geh fort und lass ihn zurück. Gib ihn Frodo und um Frodo werde ich mich kümmern. Dann wird er endlich weggebracht.“
„Wegbringen, wegbringen, wegbringen. Seit Jahren , ja seit ich ihn gefunden habe, redest Du auf mich ein, dass ich ihn abgeben soll. Er ist jetzt mein Ring, mein Schatz und nach all den Jahren wird sich der Besitzer sowieso nicht mehr melden. Und diesem schleimigen kleinen Frosch hat er auch ganz sicher nicht gehört, der kann ihn höchstens gestohlen haben. Ich will den Ring behalten und Du willst ihn doch auch bloß, weil er neben Deinem Roten da hübsch aussehen würde.“
‚Uuups‘, dachte Gandalf sich und versuchte seine Hand mit dem schönen großen Rubinring zu verstecken, denn der war ein geheimes Clubzeichen und sollte eigentlich unsichtbar bleiben. Der kleine Fauxpas heizte seinen beginnenden Zorn nur an und seine Augen funkelten. „Es ist unrecht und das weißt Du auch. Weigere Dich weiter und Du wirst Gandalf den Grauen unverhüllt sehen.“ Bei diesen Worten machte er einen Schritt auf den renitenten Hobbit zu und schien groß und bedrohlich zu werden, sein Schatten verdeckte die warme Nachmittagssonne. „Der Ring gehört nicht Dir. Und auch nicht mir. Ich will dich nicht berauben. Ich will Dir nur helfen.“ Seine Tonfall wurde wieder sanfter und der Schatten verschwand. „Vertrau mir doch wie früher. Und glaube mir, Bilbo, der Ring muss endlich ins Fundbüro.“
Kleinlaut sagte Bilbo, „Naja, ich könnte ihn hinbringen.“
„Nichts da, das einzige noch existierende Fundbüro ist in Gondor und Gondor liegt viele Wegwochen südlich von Bruchtal. Das ist nichts mehr in Deinem Alter. Ich denke, ich werde Frodo bitten, diesen Weg zu übernehmen. Der hat junge Beine und kann Dir das sehr wohl abnehmen.“
Mit einem resignierenden „Ja, Gandalf“ schickte sich Bilbo in den Verlust des geliebten Ringes und doch wurde ihm dadurch sein Herz gleich leichter, denn, liebe Kinder, es ist niemals gut, wenn man den Besitz über die Freundschaft oder den Weltfrieden stellt, das hatte der kluge alte Hobbit an diesem Nachmittag gelernt.
Die Geburtstagsfeier an diesem Abend war schön, wenn auch etwas unspektakulär. Die Hobbitkinder waren enttäuscht, da es kein Feuerwerk gab. Sie sahen dann aber doch schnell ein, dass Gandalf richtig gehandelt hatte, das Geld, was das Feuerwerk gekostet hätte, hungernden Haradrim in der Aktion „Brot statt Böller“ zu spenden. Desweiteren behaupteten einige der Erwachsenen am nächsten Morgen, Bilbo hätte sich mitten in seiner Ansprache plötzlich in Luft aufgelöst, aber weil nahezu jeder zu diesem Zeitpunkt völlig betrunken war, ließ sich das auch nicht mehr verifizieren. Jaja, das kommt davon.
II
Jahre zogen ins Land. Gandalf zog durch das Land, um Informationen über den Ring einzuholen. Frodo entwickelte sich zu einem verantwortungsvollen Mitglied der Gesellschaft und nur sein Gärtner und Freund Sam hatte ab und zu Verdruss mit seiner Lebensabschnittsgefährtin Rosie. Den hatte er sich aber selbst zuzuschreiben, da er sich verstockt gegenüber den gerechtfertigten Forderungen nach Abschaffung patriarchalischer Strukturen in ihrer Beziehung zeigte. Natürlich hatte er keine Chance.
An einem lauen Septemberabend kam Gandalf nach Hobbingen zurück. Am nächsten Morgen saßen der Zauberer und Frodo nach einem späten Frühstück am offenen Fenster des Arbeitszimmers und ließen Kaugummiblasen platzen. Gandalf hieß Frodo, den Ring zu bringen und zwischen ihnen auf den Schreibtisch zu legen.“Nun, Frodo, hast Du auch gut auf ihn aufgepasst?“
„Ja, sicher“, antwortete der junge Hobbit, „aber was ist denn nun damit los? Bilbo hat mir einerseits verboten, ihn überhaupt aufzusetzen und andererseits hat er mich in einem langen Brief verrückt gemacht, dass ich ihn nie aus den Auegen lassen soll. Was ist daran so Besonderes.“ Jaja, obwohl Frodo wusste, dass der Ring ein magisches Artefakt war, hatte er, braver, reinherziger Junge der er war, in all den Jahren kein einziges Mal gegen seines Onkels Gebote verstoßen und hatte den Ring nie benutzt. Wer von uns könnte solche Folgsamkeit von sich behaupten?
Dass dachte auch Gandalf voller Freude und doch inwendig kopfschüttelnd. Er antwortete, „Ich fürchte, dass dies unter den magischen Ringen sogar ein ganz besonderer ist. Doch ein letzter Test ist nötig.“ Mit diesen Worten warf der Zauberer den Ring ins prasselnde Kaminfeuer.
Nach kurzer Zeit holte er ihn mit einem Schürhaken wieder hinaus und ließ ihn in Frodos Hand plumpsen. Der arme Hobbit schrie kurz auf, verstummte aber sofort wieder, hatte er doch zu Recht erwartet, dass der Ring nun glühend heiß sein müsse. Doch in Wahrheit war der merkwürdige Ring kühl, glatt und leicht wie immer – doch was war das? Eine glühende Schrift unbekannter Art zog sich nun auf der Außenseite des Ringes entlang. Frodo und Gandalf beugten sich über das sinister schimmernde Schriftband. „Schau Frodo, das ist der Beweis den wir noch brauchten. Er ist es wahrhaft, das ist Saurons alter Ehering.“
„Aber was steht da geschrieben? Gandalf, es sieht so unheimlich aus, ich fürchte mich“, sagte Frodo mit leicht zittriger Stimme.
„Da, mein lieber Frodo steht: Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul / ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul.“ Des Zauberers Stimme wurde plötzlich drohend, machtvoll, hart wie Stein. Ein Schatten schien vor der vor dem Smialfenster stehenden Sonne vorüber zu ziehen und im Raum wurde es einen Augenblick dunkel.
„Oh Gott, wie furchtbar das klingt. Was heißt das nur?“
„Wahrlich Frodo fürchte Dich, denn die Zeit da die Worte wahr werden, werden auch für Dich vielleicht bald kommen, so wie sie für Sam schon gekommen sind.“, antwortete Gandalf und wies Frodo mit der Hand noch näher an den Ring zu kommen, „Schau einmal hier … und hier … und hier auch. Siehst du die Kratzer? Da hat Sauron im Nachhinein zwei Personalpronomen und ein Verb geändert. Die grässlichen Worte seines Eherings lauteten:
Ein Ring, ihn zu knechten, ihn immer zu finden,
im Dunkel zu halten und ewig zu binden.
Es war natürlich ihre Idee eines Trauspruchs. Jetzt steht da übrigens nur noch: Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Was aber immer noch schlimm genug ist, denn dies gilt allen Bewohnern Mittelerdes.“
„Und wer bitte“, fragte mit immer noch zitternder Stimme Frodo, „ist dieser Sauron, und wer war es, der sich diesen grässlichen Spruch ausdachte?“
„Nun also. Sauron war ein alter Kollege von mir als wir noch alle im Götterhimmel wohnten. Aber dann geriet er in schlechte Gesellschaft. Er ließ sich mit dem Teufel ein, mit brennenden Dämonen, Drachen, Riesenspinnen und mit seiner späteren Ehefrau. Du kannst Dir ja vorstellen wie das ist. Der Teufel und die meisten seiner Untergebenen wurden zwar irgendwann aus dem Himmel verbannt und auch Sauron und Frau verzogen sich nach Mittelerde. Dort lernten sie bei einigen naiven Elben das Handwerk der Kunstschmiederei und Saurons Frau ‚bat‘ ihn, einen Ehering zu schmieden, der ihr seine Liebe beweisen würde: sie verlangte, dass er seine Seele in den Ring schmiede. Hatte er eine Wahl? Natürlich nicht. Und so geschah es. Saurons Frau kam dann irgendwann während eines kleinen Zauberunfalls um (die Polizei von Númenor hat glaube ich bis zum Schluss nicht aufgehört, gegen Sauron zu ermitteln), aber Sauron hatte nun am eigenen Leib erfahren, was absolute Macht und totalitäre Herrschaft bedeuten.“
Gandalf nahm einen tiefen Schluck Tee, blickte sorgenvoll auf den Ring, der weiter böse funkelnd vor ihm auf dem Tisch lag und fuhr fort. „Und dieses Machtgefühl sollte ihn nicht mehr los lassen. Er unterdrückte in der Folge eine ganze Reihe von Reichen, verübte den einen oder anderen Völkermord und benahm sich auch sonst ziemlich schlecht. Irgendwann schafften es die wenigen Aufrechten, die sich ihm noch entgegenstellen mochten, eine Armee ins Feld zu rufen, der es gelang, ihn zu besiegen, indem sie ihm die Hand abschlugen, auf die er den Ring gesteckt hatte. Denn Frodo, Du erinnerst Dich, dass ich sagte, dass seine Frau ihn zwang, seine Seele in den Ring zu binden? Nun, sie ist immer noch da drin.“ Bei diesen Worten nahm Gandalf den Teekessel und ließ diesen zwei, drei Mal heftig auf den Ring niedersausen. „Na, wie gefällt Dir das, Du Mistkerl?“
„Aber ich vergesse mich, Entschuldigung.“, sagte der Graue und glättete das in Unordnung geratene Gewand. „Naja, jedenfalls ist also seine Seele in dem Ring und deshalb kann er auch nicht getötet werden, solange der Ring existiert. Er kann aber auch nicht richtig leben und schon gar nicht richtig herrschen ohne den Ring. Denn Sauron ist wie ich ein Zauberer und unsere Macht liegt in unserer Seele. Deshalb muss er den Ring um jeden Preis zurückerhalten und unsere Aufgabe ist es, zu verhindern, dass dies jemals eintritt. Und deshalb“, schloss Gandalf, „muss der Ring unbedingt ins Fundbüro nach Gondor gebracht werden. Ich würde es ja selbst tun, habe aber keine Zeit. Denn der Weg wird lang und gefahrvoll werden und ich muss für den Ringträger Hilfe organisieren. Bis Bruchtal musst Du allein reisen, aber das ist schon okay, denn auf dem Weg wird nichts passieren, er führt noch durch sicheres Gebiet.“
‚Das ist doch Schwachsinn‘, wollte Frodo schon sagen – aber, liebe Kinder, soetwas sagt man nicht zu Älteren, und deshalb tat es auch der wohlerzogene Frodo nicht. Er verkniff sich also die respektlose Bemerkung und fragte stattdessen: „Sollten wir dann den Ring nicht besser vernichten?“
Doch Gandalf hörte nicht mehr zu, sondern lauschte angespannt nach draußen. Lautlos glitt die schmale Gestalt zum Fenster, hob ihren Zauberstab und rief „Vingardium leviosa“ und schon schwebte der arme Sam hilflos vor dem Fenster in der Luft.
„Du kommst mir gerade recht“, sagte der Zauberer triumphierend, „wir brauchen nämlich noch jemanden, der Frodo auf seiner Reise unterstützt. Geh nach Hause und pack Deine Sachen, sonst verwandele ich Dich in ein Ungeheuer.“
Ahnungsvoll schaudernd, aber doch froh darüber, dass der Magier ihm nichts getan hatte, schlich Sam nach Hause und schon eine Viertelstunde später stand gestiefelt und gespornt … Rosie vor Frodos Höhle. „Das habt Ihr Euch so gedacht, meinen armen Sam in ferne Länder und gefährliche Abenteuer zu schicken und damit zudem die Hälfte der gesamten Hobbitschaft aus den entscheidenden Ereignissen der nahen Zukunft auszuschließen. Ich gehe mit oder es geht keiner!“
‚Ein Ring ihn zu knechten‘, dachte Frodo noch, aber es war klar, dass sie da nicht mehr rauskämen …
III
Und so begann das Abenteuer. Frodo fragte sich zwar immer noch, was der Ring in einem Fundbüro solle und wie dies Sauron stoppen könne, aber Rosie und er zogen (fast) sicher und behütet nach Bruchtal. Okay, wie es auf einer derartigen Reise so ist, kam es doch zu ein paar Vorfällen, die sind aber kaum der Erwähnung wert. Eigentlich war der Weg sicher, da hatte Gandalf völlig Recht gehabt. Aber leider musste irgendwie Kunde in die Welt gelangt sein, dass der Ring wieder aufgetaucht war. Sauron hatte nämlich einen Schlägertrupp von neun Hooligans damit beuftragt, ihm den Ring wieder zu beschaffen. Schon im Auenland, wäre die kleine Gruppe mehrfach beinahe mit diesen kriminellen Elementen zusammen gestoßen und auf dem weiteren Weg hatten sie ihre liebe Not, die Neun auf Abstand zu halten.
Sagte ich gerade kleine Gruppe? Was war geschehen? Ebenfalls noch im Auenland trafen Frodo und Rosie dessen alte Kumpel Merry und Pippin, die sich ihnen anschließen wollten. Auch hier setzte sich allerdings Rosie damit durch, dass sie – (Zitat) „Keinesfalls und ohne Hilfe mit drei Rowdies quer durch Mittelerde ziehen“ – werde. Also zogen Merry und Pippin notgedrungen Strohhalme, wer nun mitgehen dürfe. Pippin verlor und die Gruppe setzte ihren Weg im Weiteren also mit Pippin und seiner Freundin Diamond fort.
In Bree trafen sie auf einen alten Landstreicher, der mitgenommen werden wollte. Aber zum Glück waren unsere Hobbits klug und wohlerzogen und ließen den Mann einfach stehen. Denn wie Ihr alle wisst, liebe Kinder, geht man nie mit unbekannten Männern mit. [Ja gut, in diesem Fall war das falsch, denn der Landstreicher war gar keiner, sondern ein verwunschener Prinz, den sie in Bruchtal wieder treffen würden und der sich auf dem weiteren Weg noch als ganz nützlich erweisen sollte. Trotzdem hat die Forderung Vorrang: Niemals mit fremden Männern mitgehen! Merkt Euch das!].
Als sie schon fast in Bruchtal angelangt waren, kam es noch zu einem unangenehmen Vorfall, der das ganze Unternehmen schon beinahe an dieser Stelle hätte scheitern lassen. Seit Tagen waren sie den neun Schlägern Saurons nur durch listiges Verstecken entkommen, aber kurz vor Bruchtal gab es nur noch einen Weg, den sie gehen konnten: die Furt über den Bruinen. Heimlich kletterten die Vier durchs Unterholz bis kurz vor den Fluss, mussten doch auch die Neun wissen, dass dies die beste Gelegenheit wäre, die Hobbits noch aufzuhalten. Doch am Ufer waren nur zwei Elben und ein Pferd zu sehen – die Luft war rein und Hilfe zum Greifen nahe. Erleichtert und freudig rufend liefen die vier ans Ufer auf die freundlich lächelnden Elben zu.
Es waren eine wunderschöne Frau und ein auf seine Weise genauso imponierender Mann , die ihnen die Hände zum Willkommen reichten. Wie perlendes Wasser in einem lachenden Gebirgsbach war die Stimme der Frau als sie sie begrüßte: „Willkommen, kleines Volk, ich habe Euch erwartet. Mein Name ist Arwen, Elronds, des Herrn von Bruchtal Tochter bin ich.“
Und die Stimme des Mannes war Meeresdünung, beruhigend und Sehnsucht erweckend – doch auch mit einem klitzekleinen Ton von verhaltenem Ärger im Hintergrund. „Auch ich heiße Euch willkommen, edle Halblinge, denn ich habe Euch erwartet. Mein Name ist Glorfindel, Elronds, des Herrn von Bruchtal, vertrauter Vasall und ich wurde geschickt, Euch zu empfangen und zu beschützen.“
Gereiztheit war nun auch in Arwens Stimme, die sagte: „Entscheidend ist jedoch, dass ICH geschickt wurde, den Ringträger auf diesem Pferd dort schnell und sicher nach Bruchtal zu tragen. Komm Frodo, steig auf und ich will dich zu meinem Vater bringen.“
„Mein Asfaloth ist es, der Dich, Frodo, sicher zu meinem Herrn bringen soll, der MIR den Auftrag gab, dich zu holen. Also hör nicht hin und komm mit mir.“
Unsicherheit machte sich auf den Gesichtern unserer Hobbits ob dieses Streites breit.
Alle Perlen waren aus der Elbin Stimme verschwunden als sie antwortete: „Das wollen wir doch mal sehen! Ich bin eines Elbenfürstes Tochter und ICH werde meinen Auftrag erfüllen, komme was da wolle.“
Die Dünung hatte sich in Brandung verwandelt, die über die Ufer des Bruinen donnerte, als Glorfindel wütend auf seinem Recht beharrte: „MEIN ist der Auftrag, Frodo zu retten. Lord Elrond persönlich gab mir die Anweisung, die ich getreulich erfüllen werde!“
„Nein MEIN ist dieser Auftrag. Lord Peter Jackson befahl es mir!“
Bevor es zu weiteren unziemlichen Verhaltensweisen seitens der sonst so vorbildhaften Elben kommen konnte, brachen plötzlich Saurons Schläger auf grauenerregenden schwarzen Rossen durchs Gebüsch und stürzten sich auf die vier Hobbits und die zwei Elben. Es gab eine fürchterliche Prügelei, über die wir hier den Mantel des Schweigens decken wollen, denn, liebe Kinder, es waren keine schönen Szenen, die sich dort an der Furt des Flusses Lautwasser abspielten. Allen Sechsen gelang es jedoch mehr oder weniger heile zu entkommen. Frodo allerdings zog sich eine schwere Verletzung zu und wäre beinahe gestorben. Doch nicht Glorfindel oder Arwen auf Asfaloth waren es, die Frodo in Sicherheit brachten, sondern dem kleinen Pony Lutz gelang es, im letzten Augenblick mit ihm zu entkommen. Ja, manchmal sind es die kleinsten und unscheinbarsten, denen es gelingt, den Lauf des Schicksals zu ändern, wo die Großen und Berühmten versagen.
IV
Frodo brauchte eine ganze Zeit, um sich zu erholen. Doch letztlich gelang es Elronds überragenden heilerischen Fähigkeiten, ihn gesund zu pflegen. Bilbo, der es vor Jahren ohne Zwischenfälle zu Elronds Residenz geschafft hatte, wich in all dieser Zeit nicht von Frodos Seite und auch Gandalf tauchte irgendwann in Begleitung des schon erwähnten Landstreichers in Bruchtal auf.
Frodo wurde zwar körperlich gesund, das Gemüt jedoch wollte ihm nicht leicht werden. Er hatte nun erfahren, dass es außerhalb des behüteten Auenlandes eine Welt gab, die rauh und böse sein konnte und nicht geneigt zu sein schien, Fehler zu verzeihen. Umso mehr hoffte er, die Bürde des Ringes hier in Bruchtal auf andere, kräftigere Schultern übertragen zu dürfen, doch, ach, dunkle Zweifel befielen ihn darob. Würde er nicht doch gezwungen sein, den ganzen Weg ins Fundbüro nach Gondor gehen zu müssen? Und wofür das alles? Er war doch hier unter edlen elbischen Recken. Konnten diese denn nicht die fürchterliche Drohung, die vom dunklen Geiste Saurons ausging einfach hinwegfegen? Bald schon sollte unser kleiner, junger Hobbit lernen, was es wirklich mit dem Ring, seiner Macht und der Bedrohung durch Sauron auf sich hatte. Denn es kam der Tag, an dem Elrond, Herr von Bruchtal, Vertreter aller freien Völker im Rate zusammenrief, um über den Ring und seinen weiteren Weg Beschluss zu fassen. Frodo war bang, aber gefasst als das Glockenzeichen zu Elronds Rat erklang.
Dort saßen sie nun: Elben von edlem Antlitz und schlankem Wuchs, muskelbepackte Zwerge, die Gesichter von langen Bärten fast gänzlich bedeckt, Aragorn als Vertreter der Menschen, Gandalf versunken in hintergründigem Schweigen und selbst die Hobbits boten ein passendes ernstes Bild, der diesem lustigen Volke doch sonst so unangemessen erscheint. Trotz dieses erhebenden Anblicks beugte sich Elrond besorgt zu Gandalf hinüber und flüsterte: „Wo bleibt Gondor? Was kann seine Vertreter aufgehalten haben? Das kann nichts Gutes bedeuten.“
Dann begann der Rat.
„Hier, meine Freunde, ist der Hobbit Frodo, Drogos Sohn“, sprach Elrond zur Eröffnung, „Wenige sind je unter größeren Gefahren oder mit einem dringenderen Auftrag hierher gekommen. Denn sehet, dieser tapfere Hobbit trägt den Ring des Feindes!“ Alle Anwesenden, die dies noch nicht wussten, fuhren auf und ein aufgeregtes Gerede hub an.
„Mäßigt Euch, Freunde“, sprach der Elbenfürst mit erhobenen Händen, „mäßigt Euch und hört mich an. Ich habe euch nicht nur zusammengerufen, um Euch davon in Kenntnis zu setzen, dass der Ring, der so lange verloren war, wieder aufgetaucht ist, sondern auch, um zu entscheiden, was mit ihm geschehen soll. Hört mich an, denn grausame Kunde dringt aus dem Osten. Gandalf, bitte berichte.“
Der graue Zauberer erhob sich. „In den letzten Monaten war überall große Unruhe zu verspüren. Die Völker drängen sich zusammen wie vor einem Sturm und im Osten sammeln sich Armeen, bereit gegen den Westen zu marschieren. Und auch die Neun wurden wieder gesehen.“ Erneut begann ein aufgeregtes Gerede und Glorfindel zeigte allen das blaue Auge, dass der Hexenkönig ihm verpasst hatte. Gandalf beschwichtigte die Anwesenden und fuhr fort. „Auf Grund dieser Entwicklung bin ich mit dem Obersten meines Ordens zusammengetroffen, um Rat zu halten. Saruman berichtete, dass er mit Sauron in Kontakt stehe und dass Sauron Forderungen erhebt.
Sauron beschuldigt uns. Uns Elben, Zwerge und die freien Völker der Menschen beschuldigt er, Massenvernichtungswaffen zu besitzen und einen Angriffskrieg auf Mordor zu planen. Er beschuldigt uns, einen terroristischen Anschlag auf Dol Guldur unternommen zu haben und verlangt die Auslieferung der Schuldigen. Mit den Stimmen der Haradrim, der Corsaren von Umbar und einiger Abgesandter der Wagenfahrer ist es ihm gelungen, eine Resolution durchzusetzen, die uns zur völligen Abrüstung aller Soldaten zwingen soll. Das Schlimmste aber ist, dass Saruman die Seiten gewechselt hat. Sauron hat ihm den Posten des Chefinspekteurs der Außenlande angeboten und Saruman hat angenommen. Jetzt sieht man schon überall die Kutschen der Inspekteure mit dem Emblem der Weißen Hand auf den Planen durch die Lande fahren.“
Ein Tumult erhob sich unter den Anwesenden. „Wie kann er es wagen?“, „Was sollen wir tun?“, „Zu den Waffen!“, „Gibt´s noch Plätzchen?“ Elrond rollte die Augen – das war natürlich einer der Hobbits gewesen. Ja, liebe Kinder, man spricht eben nicht dazwischen, wenn Erwachsene sich unterhalten.
Der Anführer der Zwergendelegation ergriff das Wort. „Wir besitzen doch keinerlei Massenvernichtungswaffen, wie konnte er damit durchkommen?“ Glorfindel warf ein: „Naja, eigentlich doch, oder?“ und wies auf die dünne goldene Kette um Frodos Hals, an der ein goldener Ring baumelte.
Plötzlich trat völlige Stille ein. Elrond hatte nur darauf gewartet, die Diskussion in Richtung auf den Ring lenken zu können. „Ja, das ist genau der Punkt. Die Frage ist, was wir mit dem Ring tun sollen.“
„Das ist überhaupt keine Frage“, warf Gandalf in festem Ton ein, „der Ring muss natürlich ins Fundbüro nach Gondor.“
Die Anwesenden schauten sich verblüfft an.
„Na, kommt, es ist das einzig Richtige. Bilbo hat den Ring gefunden und Fundsachen gehören ins Fundbüro. Wir können den Ring nicht einfach zurückgeben, das wäre unser Ende. Aber wenn wir ihn nicht ordnungsgemäß hinterlegen, dann sind wir auch nicht besser als der böse Sauron.“
Ein Stöhnen entrang sich Elronds Brust an dieser Stelle, doch er hatte nicht mit der List gerechnet, die Gandalf nun vorschlug.
„Außerdem“, so fuhr der Graue fort und ein listiges Blinken funkelte jetzt in seinen Augen, „außerdem locken wir ihn damit in eine Falle. Wenn er den Ring haben will, muss er selbst nach Gondor kommen und ihn abholen. Aber Gondor ist Rechtsnachfolger von Númenor und seine alten Verbrechen sind nicht vergessen. Sauron wird immer noch gesucht wegen Aufwiegelei gegen die Valar, Völkermord und dauerndem Falschparken vor der Ratshalle von Ar-Pharazôn. Wenn er also kommt, um den Ring zu holen, wird er einfach festgenommen.“
Mit dieser List hatte Elrond wirklich nicht gerechnet und er sah jetzt aus, als ob er plötzlich Zahnschmerzen oder Migräne oder beides gleichzeitig bekommen habe. „Eh …, ja …, gut …, gibt es weitere Vorschläge?“
Aragorn stand auf: „Wir müssen den Ring vernichten. Er muss in die Feuer geworfen werden, in denen er einst geschmiedet wurde. Er muss nach Mordor gebracht werden. Ich bin bereit, eine Gruppe zu führen, die diese Aufgabe übernimmt. Wer kommt mit mir?“
Einer der Elben sprang auf. „Aragorn, mein Bogen gehört Dir.“
Einer der Zwerge trat hervor, die Axt zum Schwur erhoben und hinter ihm rief die Delegation „Sie geht mit, sie geht mit … äh … er geht mit, er geht mit.“
Alle Köpfe fuhren herum. Elrond sah jetzt aus, als ob er auch noch heftige Magenschmerzen bekommen habe. Doch in diesem Moment erhob sich Rosie und sagte: „Schwestern, lasst doch das demütigende Versteckspiel sein. Es wird Zeit, dass wir uns unsere Hälfte der Welt erobern. Dies gilt gerade in Zeiten solch finsterer Gefahr wie heute. Ihr“, dabei stach sie mit dem Zeigefinger in Richtung auf Elrond, Gandalf und Aragorn, „könnt über unser Schicksal nicht allein entscheiden. Wir verlangen, am Kreuzzug zur Vernichtung des Ringes beteiligt zu werden!“
Langsam aber bestimmt sammelten sich die Zwerge um Rosie und nahmen die falschen Bärte ab. Die Zwergin, die schon zuvor vorgetreten war, seufzte erleichtert auf. „Danke, Schwester. Seht Ihr Elben, wenn ein Zwerg an dieser Unternehmung teil hat, dann wird es eine Zwergin sein. Ich bin Hertha, Marthas Tochter und ich werde mitgehen!“
Die Fraktion der Elben stierte konsterniert auf die Zwerginnen. Plötzlich erschall jedoch Applaus auch aus ihren Reihen. Elrond drehte sich um und als er Arwen gewahr wurde musste man sich dem Gesichtsausdruck nach wirklich ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit machen.
„Gut, Ihr wollt es so haben!“ Nun da die Entscheidung gefallen war, ging des Fürsten Hautfarbe von flammendrot auf bloßes zornesrot zurück. „Gut, nehmt also den Ring und seinen Träger und diese … diese Hobbitfrau hier und die beiden anderen Hobbits da auch gleich und zieht los. Gandalf, du übernimmst die Führung, Aragorn weist den Weg und … Nein, Arwen Du nicht, egal was Du auch sagen willst, Du nicht! … Legolas geht. Er kann ja zusehen, ob er mit Martha diese formidable Gruppe in Mordor beschützen kann.“
Gandalf räusperte sich: „Nicht Mordor, Gondor, du weißt schon wegen …“
„Das ist mir doch egal, macht das auf dem Weg aus! Ihr seid der Bund der Acht und Ihr werdet irgendwie diesen Ring los. Also macht Euch auf den Weg.“
Da waren plötzlich energische Schritte und das Klirren von Waffen und Rüstung von außerhalb der Halle zu hören. Die Tür zum Ratssaal wurde aufgerissen und ein kräftiger blonder Mann in voller Wehr stürmte in die Halle und sprach:
Heil Euch Edlen, entschuldigt meine späte Ankunft. Ich bin Boromir, des Denethors Sohn. Ich bin der Leiter des Fundbüros von Gondor!“
ENDE DES ERSTEN TEILS
(Bochum 07/03)