Die Verfilmung Peter Jacksons
Teil II

© Frank Weinreich

Nun ist also der zweite Teil draussen und um es auch hier vorweg zu sagen – es ist wieder ein großartig gemachter Film, aber er zeichnet sich auch durch inhaltlich bedenkliche Entwicklungen aus, die mir gar nicht gefallen.

Jacksons Interpretation der Zwei Türme ist als Film nahezu tadellos gelungen. Weiterhin spielen fast alle Akteure auf hohem Niveau (Elijah Wood gefällt mir immer noch nicht und die Besetzung Faramirs ist mir zu farblos – aber sonst: nichts auszusetzen, besonders nicht an Brad Dourif in der Rolle Schlangenzunges). Die Bilder sind genauso schön und schrecklich wie im ersten Teil und die Locations sind das Beste, was je bei einem Film eingesetzt wurde (Wieviele Touristen hat Neuseeland eigentlich seit einem Jahr mehr?). Ich hätte auch gedacht, dass man nach Die Gefährten nicht mehr über die Tricktechnik reden müsste, aber Gollum ist wirklich unglaublich. Andy Serkis, der Typ, der Gollum prototypisch darstellte, ist zwar zu Recht für den Oscar für die beste Nebenrolle nominiert, aber eigentlich müsste Gollum selbst ihn bekommen. Wenn das Schule macht, werden wohl bald (leider!) gar keine Schauspieler mehr gebraucht. Kaum weniger beeindruckend ist übrigens die optische Umsetzung der Schlacht um Isengard.

Ich mag die Ents – auch wenn sie zu lange Beine haben. 

Soweit der Film als Film

Doch was ist von der Interpretation zu halten, die die filmische Umsetzung einer literarischen Vorlage ja immer auch ist?

Jackson selbst betont ja immer wieder, das er seine Sicht der Geschichte erzählt, die zudem noch den spezifischen Anforderungen der filmischen Dramaturgie gehorchen muss. Dass er also Dinge umstellt und Ereignisse auslässt, soll ihm unbenommen sein. Man bekommt ja zudem echten Mehrwert. Tolkien lässt beispielsweise den Angriff der Ents auf Isengard schließlich nur aus zweiter Hand berichten, während wir im Film in den Genuss der echten Auseinandersetzung kommen. Wie gesagt, das ist Jackson ebenso unbenommen wie die aufgewertete Rolle Arwens, die wohl hauptsächlich die Geldgeber beruhigen sollte (schöne Frau für pubertierende männliche Zuschauer). Schließlich folgt er mit den Änderungen des ersten Teiles dem Gedankengang der Vorlage. Das ist im zweiten Teil nicht mehr so.

Mein erster Einwand geht gegen die Darstellung des Verhältnisses von Aragorn und Eowyn sowie der merkwürdigen Einspielung Arwens. Sehe ich das falsch oder sieht es so aus, als ob Arwen sich nach Valinor aufmacht? Sicher wird sie sich das im dritten Teil nochmal überlegen, aber was soll das? Arwen zweifelt nicht einen Augenblick an ihrer Liebe zu Aragorn. Und Aragorn nicht an seiner Liebe zu Arwen. Im Film scheint sich aber Eowyn ein wenig tiefer in seine Gefühle zu schleichen. Das finde ich nicht richtig. Aragorns und Arwens Liebe ist eine Reprise des Themas Beren und Luthien. Und das Motiv von Beren und Luthien ist ein Testat der Liebe Tolkiens zu seiner Frau. Jackson handelt falsch, wenn er dieses Motiv um einer kleinen emotionalen Spannungsspitze willen zeitweise zur Disposition stellt! Ich weiß, das klingt ein bisschen verbohrt nach Jemandem, der die reine Lehre dogmatisch hochhält … und außerdem bin ich des Vorwurfs schuldig, ein Romantiker zu sein. Ach, verklag mich doch.

Was ist aber zweitens mit dem komplexen Gefüge der Völker untereinander und mit dem Schwinden der Elben aus einer Welt, für die sie sich nicht mehr ganz verantwortlich fühlen? Das ist ein beherrschendes Motiv des HdR, denn Mittelerde verliert, trotz des Sieges über Sauron, weil mit den Elben dieser jenseitige Zauber verloren geht, der Tolkiens Welt von unserer unterscheidet. Das hat auch Jackson eigentlich gut erfasst, wie es die wunderbare Darstellung Bruchtals mit seinem melancholischen Ambiente beginnenden Zerfalls ebenso schön zeigt wie die resignativ-erleichterte Zurückweisung des Ringes, als Frodo ihn Galadriel anbietet. Was haben dann aber die Elben unter Haldirs Führung in Helms Klamm zu suchen? Ausgerechnet den Rohirrim sollen sie zu Hilfe kommen, wo doch eine bis zur offenen Feindschaft reichende Spannung zwischen Rohan und Lothlorien herrscht? Das ist ziemlich unglaubwürdig und vor allem dem Geist der Geschichte zuwiderlaufend. Hätte es einer weiteren charismatischen Figur in Helms Klamm bedurft, warum war dann nicht Eomer da, wo er eigentlich sowieso hingehört? Den dramatischen Auftritt Gandalfs hätte dieser ja auch wie im Buch haben können.

Was ist drittens mit der Würde der Hauptfiguren? Tolkien hat die wichtigsten Charaktere aufwändig gezeichnet und sie bewusst mit ihren spezifischen Wesenzügen versehen. Eigentlich kommt das auch sehr gut rüber. Bis zum Auftritt Gimlis. Was für ein Clown! Und wie ungerecht ist das! Da schnappt sich also der kleine Gimli ein riesiges Pferd, um in den Kampf mit den Wargen zu reiten – nein was haben wir gelacht:-( Und eine Stunde später hüpft er wie ein Flummi hinter den Zinnen der Hornburg auf und ab – peinlich, Mr. Jackson, peinlich. Zwerge sind äußerst ernsthafte und stolze Wesen, die sich niemals so verhalten würden. Zudem ist Gimli gerade in Helms Klamm noch zutiefst von dem Erlebnis bewegt, die Höhlen von Aglarond gesehen zu haben. Das ist ein kleinlicher Einwand? Finde ich nicht, denn Tolkien hat sich etwas dabei gedacht, als er Gimli genauso schuf, wie er ihn geschaffen hat. Die Hauptfiguren stehen alle auch für bestimmte Prinzipien und im Falle Gimlis ist dies unter anderem eine wesensbestimmende Ernsthaftigkeit, die ihn erst zu seiner Rolle in der Gemeinschaft befähigt. Ihm diese durch eine entsprechende Darstellung abzusprechen, läuft wiederum dem Geist der Geschichte zuwider. Friedhelm Schneidewind (der Autor des Großen Tolkien-Lexikons, s. www.incantatio.de) sieht diese Verkennung von Charakteren übrigens schon im ersten Teil, in der Darstellung Gandalfs mit den Zügen eines Popanzes.

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(Die Bilder entstammen einem auf phantastische Weise
zu einem Herr-der-Ringe-Diorama ausgebauten Auto, das ich
2007 auf der RingCon in Fulda fotografieren konnte.)

Ähnliches lässt sich auch viertens zur Darstellung der Person Theodens sagen. Der erste Eindruck des alten, bezauberten Königs und seiner Verwandlung als direktem magischen Duell zwischen Gandalf und Saruman entspricht zwar auch nicht dem Buch, ist aber sehr, sehr gelungen. Nur, was kommt dann unter der verjüngten Haut des alten Fahrensmannes zum Vorschein? Der im Prinzip gleiche Zögerling wie vorher. Nix is´ mit “Auf Eorlingas!”, stattdessen führt Theoden sein Volk nach dem Motto “Lasst uns schnell zu Helms Klamm schleichen – vielleicht merkt´s ja keiner”. Traurig, traurig. So ist der Herr der Mark völlig entgegen dem Sinn des Buches interpretiert.

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Auffällig aber weniger wichtig sind demgegenüber inhaltliche Unstimmigkeiten anderer Art. Sollten etwa die Ents wirklich nichts davon mitbekommen haben, dass die Orks langsam den Fangorn abholzen, so dass Baumbart erst den entscheidenden Schock bekommt, als er Merry und Pippin absetzen will? Wie soll Frodo eigentlich bis zum Orodruin kommen, wenn der Ring schon jetzt in dem gezeigten Ausmaß an ihm zerrt? Das geht wohl ein wenig zu schnell, oder? Wie gesagt, sind das aber Kleinigkeiten gegenüber der künstlerischen Freiheit, die sich Jackson gegenüber dem Geist und der Intention des HdR herausnimmt. Das Problematische daran ist, dass es an diesen Stellen zu echten Verfälschungen der Geschichte kommt. Sicher werden diese Dinge nur Leuten auffallen, die sich ein wenig besser in den Büchern auskennen und der Spannung der Geschichte tut es ebensowenig Abbruch wie den beiden Kernaussagen, dass Kooperation dem Egoismus überlegen ist und dass auch die vermeintlich Kleinsten Großes bewirken können. Aber die Abweichungen sind so unnötig …

Trotzdem sind auch Die Zwei Türme ein toller Film (als Film). Und gerade die Abweichungen machen es erforderlich, dass Sie die Bücher lesen, wenn Sie dies noch nicht getan haben sollten! 😉

(Bochum 12/´02)