Der Hobbit, eine kurze Inhaltsangabe
© Frank Weinreich
“In einer Höhle im Boden, da lebte einst ein Hobbit”;
mit diesen Worten fing alles an. Tolkien notierte sie “im Sommer 1930” (Day 1997, S. 10) und schrieb später über sie, daß er nicht mehr angeben könne, wie sie ihm eingefallen seien und was sie damals zu bedeuten gehabt hätten (Carpenter 1979, 203).
Zwischen diesem Satz und der Niederschrift und Veröffentlichung des Hobbit (H) liegen über zehn Jahre, in denen Teile des Silmarillion entstehen und die Idee des Ringes geboren wird. In dieser Höhle im Boden beginnt ganz klein und mit der Beschreibung eines absolut unheroischen und unscheinbaren Lebewesens eine epische Geschichte.
Zunächst war jedoch an HdR noch gar nicht gedacht worden als Tolkien den H veröffentlichte. Dieses Buch wurde aus eigener Kraft ein Erfolg, der sich nicht nur gut verkaufte, sondern auch von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Der Hobbit wurde beispielsweise in der Times in einer Rezension mit Kenneth Grahames Wind in the Willows und Lewis Carolls Alice in Wonderland auf eine Stufe gestellt (vgl. Anderson 2003, 20).
“In einer Höhle im Boden, da lebte einst ein Hobbit”. Mit diesen Worten eröffnet Tolkien die Geschichte vom H und fährt ein paar Zeilen weiter fort: “Dies ist die Geschichte eines Beutlins [so der Name dieses Hobbits], der trotzdem Abenteuer erlebte, und sich Dinge tun und Sachen sagen fand, die über alle Maßen unerwartet waren”. Dieser unspektakuläre und trotzdem Interesse erweckende Anfang hat mich persönlich immer fasziniert und ich habe in mittlerweile tausenden von fantastischen Romanen, die ich kenne, nie einen schöneren Einstieg gefunden.
Ich möchte mit meiner Inhaltsangabe nicht zuviel erzählen, sondern Euch vielmehr den H schmackhaft machen. Andererseits sind ein paar Details für den Herrn der Ringe (HdR) wichtig, so daß ich auf diese etwas näher eingehen werde.
Eines Morgens nun wird dieser spezielle Hobbit namens Bilbo Beutlin von Gandalf dem Zauberer aufgesucht, ohne das Bilbo wüßte, wer dieser alte Mann denn nun ist. Gandalf fällt sozusagen mit der Tür ins Haus als er sagt, er suche nach jemandem, der an einem Abenteuer teilnehmen wolle. Damit ist er im Lande der Hobbits eigentlich an der völlig falschen Adresse, denn diese haben für Abenteuer eigentlich überhaupt nichts übrig, wie Ihr ja auch aus dem ersten Kapitel des HdR wißt. Denn, so Bilbo: “Abenteuer sind scheußliche, unbehagliche Sachen, die nur dazu führen, daß man zu spät zum Essen kommt”.
Aber natürlich kommt Bilbo nicht um ein Abenteuer herum. Denn Gandalf setzt sich über seine Ablehnung einfach hinweg, indem er ihm eine Gruppe von Zwergen zuführt und ihn diesen als Meisterdieb vorstellt, ohne ihm auch nur die geringste Chance zu lassen, diese Falschinformation aufzuklären.
Denn Bilbo wird nun in den Plan seiner Gäste eingeweiht, eine lange verlorene Zwergenstadt mitsamt einem ungeheuren Schatz aus den Klauen eines Drachen zu befreien, der die Stadt vor vielen Jahren überfiel und seitdem in ihr haust. Gandalf wurde von einem der wenigen Überlebenden des Überfalls ein Plan mit einem geheimen Zugang zu der unterirdischen Zwergenstadt namens Dal übergeben. Mit diesem Plan hoffen die Zwerge nun, ungesehen in die Stadt eindringen zu können, den Drachen zu überraschen und ihm irgendwie die Kontrolle über die Stadt zu entreißen. Und dazu bedarf es eines Meisterdiebes, als den Gandalf Bilbo vorgeschlagen hat.
Natürlich versucht Bilbo die etwas zweifelhafte Ehre, ein angeblicher Meisterdieb zu sein, abzuschütteln. Doch die Pläne werden geschmiedet und er wird einfach mit hineingerissen. Vielleicht war dieser eine Hobbit – so ähnlich wie Frodo – doch nicht ganz so widerspenstig, sich einmal einen anderen Wind um die Nase wehen zu lassen.
Schon am nächsten Tag – und für des Hobbits Gemüt viel zu schnell und hastig, doch Gandalf lässt ihm keine Wahl – macht sich die Gruppe aus dreizehn Zwergen, Bilbo und Gandalf auf den beschwerlichen Weg. Ein unwirtliches Gebirge, in dem es von Trollen und besonders Wölfen und Orks nur so wimmelt, gilt es nun zu überqueren. Sodann muß ein düsterer Wald durchschritten werden, in dem der dunkle Hexenmeister Sauron sein Quartier aufgeschlagen hatte und aus dem kaum je ein Wesen lebendig zurückkehrte. Zum Schluß muß der Berg erklommen werden, unter dem die Zwergenstadt liegt und dort der geheimnisvolle Nebeneingang gefunden werden, der nur einmal im Jahr zu einer bestimmten Zeit zu erkennen ist. Und bei all dem, so kündigt Gandalf an, wird es ihm nur zeitweilig möglich sein, der Gruppe zu helfen, da er andere Dinge zu erledigen habe und die Gruppe bald verlassen müsse.
Und so kommt es, wie es in einem abenteuerlichen Märchen kommen muß – auf jeder Etappe des Wegs geschieht eine Beinahekatastrophe. Im Vorgebirge werden sie fast von Trollen gefressen, im Gebirge nimmt ein Orkstamm sie gefangen. Diesem kaum entkommen werden sie von Wölfen und Orks beinahe durch einen gelegten Waldbrand geröstet, aus dem sie nur durch eine phantastische Flucht mit Hilfe gigantischer Adler zu fliehen vermögen. Im Düsterwald fallen die Gefährten unter Riesenspinnen, werden von Waldelben der Spionage verdächtigt und festgehalten und schaffen es erst zum allerletzten Zeitpunkt zu entkommen und auf den Berg zu gelangen, zu dem sich die Geheimtür offenbart. Und nun wartet immer noch Smaug, der riesige Drache.
Das für Mittelerde wichtigste Ereignis ist dabei ein für die Handlung des H eher nebensächliches. Als nämlich die Gruppe den Orks in die Hände fällt und in eine Höhle gebracht wird, gelingt es Bilbo zu entkommen. Auf seiner Flucht rennt er immer tiefer in den Berg hinein und verläuft sich hoffnungslos in der Dunkelheit. Dabei stolpert er irgendwann über einen kleinen goldenen Ring. Etwas später trifft er auf ein merkwürdiges und unheimliches, häßliches Wesen von Hobbitstatur. Dieses Wesen ist der alte Gollum und wir werden ihm im HdR jetzt bald auch begegnen, denn hier spielt er noch eine ganz besondere Rolle. Obwohl Bilbo das Wesen unheimlich ist, lässt er sich auf einen Rätselwettkampf ein, als dessen Gewinn ihm winkt, dass Gollum den Weg aus dem Berg weist. Doch Gollum ist ein guter Rätselmeister. Als Bilbo nicht mehr weiter weiß, nimmt er Zuflucht zu einer unfairen Frage: “Was befindet sich in meiner Hosentasche?”, fragt er und das weiß der hässliche Gnom natürlich nicht zu beantworten. Als der ihn erbost angreift schlüpft Bilbo unbemerkt der Ring auf den Finger … und das erboste Wesen stolpert ins Leere. Offensichtlich, so begreift Bilbo bald, hat der Ring ihn unsichtbar werden lassen.
Der Ring ist natürlich der eine Ring, den in unserem Hörspiel nun Frodo und die Gefährten nach Bruchtal bringen müssen. Die zentrale Bedeutung, die der Ring für unsere Geschichte jetzt hat, erlangt er im H nie. Bilbo kann ihn zwar noch an mancher Stelle nützlich einsetzen und letztlich nur mit des Ringes Hilfe seinem falschen Ruf als Meisterdieb gerecht werden – als erstes befreit er mit seiner Hilfe beispielsweise die Freunde aus der Gewalt der Orks. Der Ring ordnet sich jedoch als reines Hilfsmittel in die Geschichte um die Befreiung der Zwergenstadt ein.
Mit des Ringes Hilfe gelingt es Bilbo letztlich auch, sich in den Drachenhort einzuschleichen. Zwar spürt Smaug den frechen Hobbit trotzdem auf, doch dann schafft Bilbo es, den Drachen zu überlisten. Doch bis der Drache endlich besiegt und die Stadt Dal befreit wird, ist es noch ein weiter Weg. Und selbst dann ist die Gefahr noch nicht vorbei, erweisen sich doch Habgier und Stolz als größere Fährnisse, als es der Drache war.
Die maßgebliche Ausgaben des Hobbit stellen heute übrigens erstens die exzellente von Douglas Anderson erstellte annotierte Ausgabe: The Annotated Hobbit dar und zweitens die Werkausgabe – wer ganz tief in die Entstehungsgeschichte des Werkes einsteigen will greift zur zweibändigen Ausgabe The History of the Hobbit, die John Rateliff 2007 herausgebracht hat.
(Bochum 10/´99)