Von Babylon nach Hogwarts

Anmerkungen zur Geschichte der Fantasy.

©Frank Weinreich

  • Was ist Fantasy?
  • Womit beginnt die Fantasy?
  • Was sind die wichtigsten Eckpunkte der Gattungsgeschichte?
  • Und wieso tauchen ihre verschiedenen Formen gerade zu den Zeiten auf, zu denen sie dann eben auftauchen?

Darüber möchte ich mit Ihnen heute unterhalten.

Durch die Beantwortung dieser Fragen, gewinnt man ein gutes Verständnis für die Fantasyliteratur, denn anhand ihrer Geschichte erklärt sich auch gleich eine ganze Menge über Bedeutung und Nutzen des Genres. Das darzustellen, ist der Sinn meines heutigen Vortrages über die Geschichte der Fantasy, die weiter reicht, als mancher das vielleicht gedacht hat.

Doch zunächst muss erst einmal geklärt werden, was das denn überhaupt ist, worüber wir reden. Was ist die Fantasy? Das ist gar nicht so einfach zu sagen, denn eine allgemeingültige Definition von Fantasy gibt es nicht. Deshalb habe ich eine eigene vorgeschlagen, die in der Fachwelt diskutiert und mit viel Wohlwollen aufgenommen wurde. Sie bewährt sich also zumindest vorläufig und ich wende sie auch für die Zwecke meines heutigen Vortrages an. Nachzulesen ist sie in meinem Buch Fantasy. Einführung oder auf meinen Webseiten.

Fantasy ist ein literarisches (sowie mehr und mehr auch cineastisches und in weiteren Ausdrucksformen auftretendes) Genre, dessen zentraler Inhalt die Annahme des faktischen Vorhandenseins und Wirkens metaphysischer Kräfte oder Wesen ist. Fantasy enthält also immer Dinge, die nicht Bestandteil der realen Welt sind: Magie, übermenschliche Fähigkeiten, Götter, Dämonen und ähnliches. Das sind Dinge, die auch in anderen Zusammenhängen auftreten, nämlich beispielsweise in allem, was mit Religion zu tun hat. Nun tritt aber das Religiöse mit dem Anspruch auf, Wahrheiten zu verkünden: Dämonen, Engel und Wunderheilungen sind von der Warte der Gläubigen aus betrachtet real. Das behauptet die Fantasy grundsätzlich nicht. Weshalb also als zweiter Bestandteil der Definition von Fantasy bestimmt werden kann, dass es sich bei ihr um Geschichten handelt, Geschichten, die als Fiktion auftreten. Geschichten die als Fiktion auch verstanden werden sollen und müssen.

Damit handelt man sich jedoch ein Problem ein.

Ein sich änderndes Verständnis der Beschaffenheit der Realität wirkt nämlich darauf zurück, was Menschen als phantastisch und übernatürlich ansehen. Das Weltbild wie auch das Verständnis von Literatur hängen also davon ab, ob an Götter und Magie geglaubt wird, oder ob die Menschen von einer um die Erde kreisenden Sonne und vier Wechselwirkungskräften als Faktum ausgehen. Insbesondere aus heutiger Sicht wird es dann schwierig, rückblickend zu sagen, ab wann was heute allgemein als Phantastik angesehen wird und ab wann was auch im Bewusstsein der zeitgenössischen Lesenden und Zuhörenden als Phantastik galt und wann insofern zwischen uns und ihnen ein Einverständnis über das Wesen der phantastischen Literatur angenommen werden kann. Der Vortragstitel lautet “Von Babylon nach Hogwarts”, womit der Beginn von Fantasy also viereinhalb Jahrtausende zurück läge und etwa mit dem Gilgamesch-Epos begänne. Die Herkunft der Fantasy aus dem mythischen Erzählerbe der Menschheit lässt die Wurzeln bis zu den frühesten Zeugnissen menschlicher Schriftkultur zurückreichen, doch handelt es sich bei diesen Beispielen noch um phantastische Literatur? Sie weist zumindest alle Elemente der Fantasy auf: Dämonen, Zauberer, Drachen usw. Und so geht es weiter: die Homerischen Epen, Aesops lehrhafte Fabeln, die indischen Nationalepen Mahabharata und Ramayana, Vergils römische Gründungssaga Aeneis, Ovids philosophische Poesie Metamorphosen, Lucius Apuleius´ mystische Satire Der Goldene Esel und viele weitere Gedichte und Prosaerzählungen sind nur einige Beispiele aus der Antike.

Fast all diese Beispiele stellen aber Mythen dar, und klassische Mythen wurden wahrscheinlich zu ihrer Entstehungszeit geglaubt. Sicher kann man sie nicht ohne Weiteres zur Fantasy zählen, aber man kann sie als Vorfahr von Fantasy ansehen. Ein Mythos ist und war immer schon eine Erzählung, die mittels symbolischer Begrifflichkeit die Welt in ihrer materiellen, vor allem aber auch spirituellen Verfasstheit, „als ganze und in ihrer Ganzheit“ (Frenschkowski 2006, 241) zu erklären versuchte. In Prähistorie und Antike war der Mythos ein Mittel zur symbolisch vermittelten Welterklärung, der von fabelhaften und magischen Dingen in vergangenen Zeiten oder außerhalb der realen Welt berichtete. Er hatte den Anspruch, den metaphysischen Überbau der Realität zu erklären und die Menschen einerseits durch die Erzählung in das größere Ganze des materiellen wie des spirituellen Kosmos einzubetten und sie andererseits durch den metaphysischen Verweis mit ihrer beschränkten Lebenssituation (der Erfahrung von Leid, Begrenztheit, Wandel, Tod) zu versöhnen. Der Mythos hatte auch die Funktion zu heilen, er war ein Therapeutikum.

Diesen hohen Anspruch hat Fantasy natürlich nicht, denn sie ist, wie in der Definition klar ausgesagt wird, ein Genre der Fiktion. Fantasy verlangt nicht, dass man an sie glaubt. Aber Fantasy spielt zumindest mit den gleichen Themen wie der Mythos. Fantasy probiert aus, was der Mythos einst als Wahrheit darstellte. Und dieses Spiel als Denkspiel völlig unbeschränkter Möglichkeiten klärt schon auch über den Menschen, seine Psyche und seine Wünsche auf. Sie sehen: Fantasy ist nicht allein Unterhaltung. Und darin ist Fantasy dem Mythos verwandt, so dass unter der Einschränkung, dass die Fantasy eine weniger starke Rolle besetzt, man sie durchaus in die Nachfolge des Mythos stellen kann. Fantasywerke, das sind nicht geglaubte Mythen. Und deshalb sollte man bei der Betrachtung der Geschichte der Fantasy auch die Geschichte des Mythos mit im Sinn behalten.

Mit dem Ende der Antike und dem Beginn des Mittelalters stellen sich dann die nord- und mitteleuropäischen Mythen in die Reihe der Ahnen der Fantasy: das Beowulf-Gedicht, das walisische Mabinogion, die nordischen Sagas, allen voran die Prosa-Edda von Snorri Sturluson, und das alte germanische Erzählerbe rund um Kriemhild, Siegfried, Dietrich von Bern. Doch auch außerhalb von Europa blüht die Phantastik unvermindert weiter, etwa in Form des Erzählkreises der Arabischen Nächte, die als 1001 Nacht im Okzident bekannt wurden. Und auch einzelne mittelalterliche europäische Autoren schufen Werke auf der Grenze zwischen Mythos und Literatur: Wolfram von Eschenbach den Parzival, Dante Alighieri die Göttliche Komödie, Geoffrey Chaucer die Canterbury Tales, Thomas Malory am Übergang in die Renaissance Le Morte d´Arthur, um nur eine Handvoll zu nennen. In Renaissance und Neuzeit setzt sich die Reihe der Vorfahren der Fantasy mit Namen wie William Shakespeare und John Milton fort. Auch einige der berühmtesten Schriftsteller und Dichter der Neuzeit unternahmen zumindest Ausflüge in das Reich der Phantastik. Der Philosoph und Humanist Voltaire in Zadig, der ‘Dichterfürst’ J.W. Goethe mit seinem wichtigsten Werk, dem Faust, der Sozialkritiker Charles Dickens mit A Christmas Carol, die überragende Stilistin Jane Austen mit Northanger Abbey und viele weitere.

Die phantastische Literatur kann man offensichtlich nicht anders denn als festen und unablöslichen Bestandteil der menschlichen Kultur aller Zeiten und Regionen ansehen. Erste Fantasy wurde wohl schon an den Lagerfeuern der Steinzeit erzählt. Sie ist Bestandteil der Religionen ebenso wie der Hoch- und der Trashkultur und es scheint als gäbe es einen „angeborenen menschlichen Impuls in Richtung der Fantasy“ (Mathews 2002, 10). Phantastische Geschichten sind also durchaus nicht auf das Zwanzigste und Einundzwanzigste Jahrhundert beschränkt und sie lassen sich auch auf den ‘respektablen’ Regalen der Stadtbücherei finden.

Ebenso wie der Mythos ist auch die allgemeine phantastische Literatur nicht mit der Fantasy gleichzusetzen. Sie umfasst ein viel weiteres Gebiet von Werken, die teilweise nicht einmal in eine weite Definition von Fantasy Einlass finden würden. So enthält beispielsweise der frühe englische Schauerroman, die Gothic Novel, oftmals nichts Übernatürliches, sondern erweckt nur einen derartigen Anschein, der aber in der Auflösung der Geschichte wegerklärt wird. Ein anderes Beispiel ist Mary Shelleys bahnbrechende Erzählung Frankenstein oder Der moderne Prometheus – das ist reine Science Fiction und enthält keinerlei übernatürliche Elemente. Und doch sind diese Beispiele, die Gothic Novel wie auch Shelleys Werk zusammen mit den dunklen Arbeiten Hoffmanns, Poes und anderer, Wegbereiter für die Fantasy.

Eine andere Gruppe von Künstlern und Schriftstellern, die auf die Formierung der Fantasy größten Einfluss ausübten, waren die Romantiker. Es waren die Romantiker, die das Übernatürliche, das Jenseitige und das Spirituelle meist sehnsüchtig zum Mittelpunkt ihrer Werke machten und damit ein tiefes Verlangen nach Transzendenz ausdrückten, das sicherlich mit dem „menschlichen Impuls in Richtung Fantasy“ eng verwandt ist. Beginnend mit Edmund Spensers Gedicht The Fairie Queene (veröffentlicht 1590-1596) und über die deutschen wie die englischen Romantiker bis zu Samuel Taylor Coleridge reichend, stellt die romantische Dichtung eine bedeutende Quelle für die Fantasyliteratur dar.

Das Entstehen der Romantik und der romantischen Dichtung ist eine Reaktion auf die nüchterner werdende Welt der Neuzeit, in der die Wissenschaft das Wesen des Mythos und die Wunder der Natur wegerklärt. Die Romantik versucht, die Metaphysik in Worte zu kleiden, die sich neben der nüchternen Realität bewähren sollen, fühlt sie sich doch durch den vermeintlichen Verlust der Metaphysik der Welt der Neuzeit und der Aufklärung entfremdet. Diese Entfremdung schlägt sich auch in der Gothic Novel als direktem Vorfahren der Fantasy nieder. Natürlich nicht in all ihren Werken, aber in ihren wichtigeren Vertretern und auch in den prototypischen Erzählungen der Science Fiction, etwa Mary Shelleys Frankenstein und ihrem The Last Man. Das Geschöpf Frankensteins leidet im Prinzip stellvertretend für die wissenschaftsgläubige Menschheit unter deren defizitärem Selbst- und Weltverständnis und wird deshalb erst zum Monster und Mörder. Und Verney, der letzte Mensch, der nach einer Pandemie allein zurückbleibt, beweint eine ausgestorbene Kultur, die doch auf Grund ihrer Entwicklung hin zur defizienten Rationalität zwangsläufig vergehen musste. Die Wiedergewinnung des Geheimnisvollen und die Verzauberung der Welt sind Motive, die sich auch durchgängig in der Fantasy wiederfinden, einem Genre, das in dieser Hinischt in der Nachfolge der Romantik steht, das zum Erbe seiner Wünsche wird.

Damit ist der Bogen bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein geschlagen. Ein Jahrhundert das von zwei wesentlichen Umbrüchen gezeichnet ist. Erstens scheinen die Naturwissenschaften sich langsam als allmächtig zu beweisen, denn die Ingenieure und die Ärzte, aber auch die Theoretiker scheinen auf jede Frage eine Antwort zu wissen. Zweitens verändert die beginnende Industrialisierung die Gesellschaften der westlichen Welt.

Die Menschen rücken, hauptsächlich aus wirtschaftlichen Erfordernissen, in Städten eng zusammen und verbringen zudem einen Großteil ihres durch die Arbeits- und Lebensbedingungen oftmals nur noch sehr kurz währenden Lebens an fremdbestimmten und hoch arbeitsteilig diversifizierten Arbeitsstellen, die neben der Entfremdung außerdem nur einen allzu kargen Lohn erbringen. In Deutschland hungern die Weber, in Frankreich zerstören sie die Webstühle mit ihren Holzpantinen – den „Sabots“, daher stammt der Begriff Sabotage – und in England wird der Manchesterkapitalismus zum Inbegriff des ärmlichen, fremdbestimmten und ausgebeuteten Arbeiters. Karl Marx und Friedrich Engels liefern die theoretische Erklärung für den Grund zu dieser menschenunwürdigen Entwicklung – wahrlich, ein Gespenst geht um, nur nicht das, welches die beiden Denker meinten, sondern das des Sinnverlustes.

Für die phantastische Literatur insgesamt, wie auch später für die Fantasy im Besonderen, bedeutete das alles allerdings Anreiz und Aufmerksamkeit: Anreiz, Geschichten zu erfinden, und Aufmerksamkeit seitens des Publikums, sie in Form von Träumereien und kleinen Fluchten begierig zu rezipieren, ohne dabei jedoch die eigene Lebenswirklichkeit komplett vergessen zu können oder zu wollen, sondern sie durch Lektüre, Schau und Spiel zu verarbeiten. Die Welten von Schwert und Magie, die auf den ersten Blick so weit entfernt zu sein scheinen – Wolkenkuckucksheime nennt die Kritik sie gerne – diese Welten sind in Wirklichkeit ganz nahe, nur mehr oder weniger stark verfremdet. Thomas Le Blanc schreibt sehr treffend:

„Fantasy wird nicht konsumiert, weil ihre Leser an Zauberei glauben oder weil sie unserer Welt entfliehen wollen. […] Als zeitlose Literatur diskutiert sie zentrale positive Werte wie Treue, Freundschaft, Pflichtgefühl, Ehre, Aufrichtigkeit, Verantwortung, sie schildert suchende, zweifelnde, teilweise sogar gebrochene Figuren. Die eigentliche Anziehungskraft von Fantasy liegt nicht darin, daß sie fremde, unbekannte Welten schildert, sondern vielmehr darin, daß sie von unserem Leben erzählt.“ (Le Blanc 2003, 7; meine Hvhbg.)

Die exotischen Erzählungen sind eine Spiegelung wesentlicher Bestandteile „von unserem Leben“, sie kompensieren die schwer zu ertragenden Umbrüche in Wissenschaft und Gesellschaft jener Zeit, da sie „auf Grund der verwendeten Symbole und literarischen Metaphern eine außerliterarische Erfahrung bewirken können“ (Pesch 2001, 177).

Die Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Europa und Nordamerika, die sich auch zu etwa dieser Zeit als sogenannte Erste Welt herauszukristallisieren begannen, schlug sich heftig in der phantastischen Literatur nieder. Die sich ändernde Lebens- und Arbeitsweise war nicht nur für viele Menschen deprimierend und ließ sie deshalb wenigstens in Erzählungen nach Erklärung, Fluchten und Utopien suchen, sie zog auch eine Änderung der gesellschaftlichen und administrativen Strukturen (Bürokratie!) nach sich, die das tägliche Leben immer undurchschaubarer und fremdbestimmter erscheinen ließen. Die von Menschen verursachten Katastrophen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, besonders der Erste Weltkrieg und die Große Depression der Weltwirtschaftskrise, verliehen in der Folge ehedem schlecht zu artikulierenden Ängsten ein existenzbedrohendes Gesicht. Die phantastische Literatur, und nun in besonderem Maße die Fantasy als ihr Subgenre, nahmen zivilisationskritisch die Gefühle der Unüberschaubarkeit, der Unsicherheit und der Angst auf und verarbeiteten sie, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weisen, denn nur scheinbar paradoxerweise verhält es sich so: „Fantasy – also Dinge die nicht sein können – sind sehr oft eine unmittelbare Kritik der Dinge so wie sie sind“ (Hunt 2001, 8). Fantasy kann somit auch zu „einer Bewältigung der Realität beitragen“ (Pesch 2001, 178).

Außerdem kann Wissenschaft gar nicht alles erklären. Einige Dinge – etwa der Raum der kleiner ist als die Atome, der Raum der größer ist als das Universum und alle Räume des Glaubens – einige Dinge entziehen sich kategorisch der objektiven Erläuterung. Das Staunen und die Phantasie werden durch die Lücken und die Leere stimuliert, die das Denken innerhalb der wissenschaftlichen Erklärungen entdeckt. Das ist eine Leere, die bei aller Sektionsarbeit doch das Gefühl nicht zu unterdrücken vermag, dass ein erfahrbares Ganzes aus mehr als der Summe seiner Einzelteile bestehen kann. Hier springt der Glauben ein, aber hier kann auch die phantastische Literatur einspringen, besonders die Fantasy, mit ihren eigenen Erklärungen und Ideen. Ursula Le Guin schreibt:

„Realismus ist vielleicht die am wenigsten angemessene Form um die unglaublichen Umstände unserer realen Existenz zu porträtieren. Ein Wissenschaftler, der in seinem Labor ein Monster erschafft, ein Bibliothekar in der Bibliothek von Babel, ein Zauberer, der beim Sprechen eines Zauberspruches versagt, ein Raumschiff, das auf seinem Weg nach Alpha Centauri verschollen geht – all diese Dinge sind präzise und fundamentale Metaphern für die menschliche Existenzweise. Der phantastische Erzähler, ob er nun Archetypen aus den Mythen oder die jüngeren Archetypen aus Wissenschaft und Technik zitiert, spricht nicht weniger ernsthaft als jeder Soziologe – und manchmal sehr viel deutlicher. Phantastische Literatur dreht sich um das menschliche Leben; darum wie es gelebt wird, wie es gelebt werden könnte, wie es gelebt werden sollte.“ (Le Guin 1979, 58)


 

 

Fantasy

Soviel zu den Vorläufern und zu den Umständen des Entstehens von Fantasy.

Wo aber beginnt die Fantasy, so wie wir sie heute verstehen?

Auch wenn das natürlich eine willkürliche Setzung ist, so lässt sich doch zumindest ein Werk herausnehmen, das als erstes alle typischen Bestandteile von Fantasy aufweist. The Wood Beyond the World und The Well at the World´s End des Engländers William Morris sind die ersten vollkommen ins Genre Fantasy passenden Romane. Morris gilt seitdem auch als „Vater“ der Fantasy (Carter 1973, 20). Einzig der Schotte George MacDonald (1824 – 1905) schrieb noch vor Morris mit Phantastes und Lilith zwei Feenromanzen, die ebenfalls zu den Klassikern der Fantasy gezählt werden können, die aber noch eher Wegbereiter für Kafka und psychologisch interessierte Schreibende der Moderne waren, als dass sie der nachfolgenden Fantasy den Weg gewiesen hätten.

William Morris (1834 – 1896) war ein Mann mit einer Vielzahl von Talenten, der heute als Fabrikant, Sozialreformer, bildender Künstler und einer der ersten britischen Sozialisten sowie als heftiger Kritiker des viktorianischen England vielleicht bekannter ist, denn als Schriftsteller und Fantasyautor. Morris studierte in Oxford und arbeitete als angestellter Architekt bevor er mit Freunden eine Firma für Möbel, innenarchitektonische Arbeiten und Design gründete, die sofort ein großer Erfolg wurde. Er begründete zudem mit anderen die in Kunstkreisen bald Berühmtheit erlangende Präraffaelitische Bruderschaft und eine Gesellschaft für den Erhalt historischer Bauwerke, die zur Keimzelle des National Trust wurde. Mit seiner Tochter May sowie Eleanor Marx, der jüngsten Tochter von Karl Marx, und Friedrich Engels begründete er die sozialistische Bewegung in Großbritannien. Und dann, allerdings erst gegen Ende dieses Lebens, das Errungenschaften für mindestens drei Menschen erbracht hatte, wurde er also auch noch zum Vater der Fantasy. Der erste ‘echte’ Vertreter des Genres widerlegt also schon die These von der intellektuellen Insignifikanz der Autorinnen und Autoren des Fantasygenres auf das Herrlichste.

Morris legte in seinen Geschichten auf sechs Dinge wert, die einen großen Teil der Fantasy bis heute prägen1: Erstens althergebrachte Lebensweisen als gesellschaftlich-politisches Setting seiner Geschichten, die von Neuzeit und Moderne deutlich abgesetzt sind und zumindest in der High Fantasy zu größten Teilen ebenfalls den Hintergrund fast aller Erzählungen bilden. Zweitens die besondere Rolle der Geographie beziehungsweise der durchdachten Glaubhaftigkeit seiner imaginären Welten, die bis heute in den Augen des Publikums ein wichtiges Qualitätskriterium von Fantasy darstellt. Drittens das Hervorrufen eines Gefühles von Verlust, das viele Geschichten des Genres durchzieht und die Leserinnen und Leser trotz glücklichen Ausganges der Geschichten in ein melancholisches Erleben der Erzählungen driften lässt. Viertens nimmt die Darstellung ethischer Prinzipien eine zentrale Rolle ein, was auch auf Kosten der psychologischen Feinzeichnung der Charaktere geht, aber bewusst in Kauf genommen wird, um der Moral das inhaltliche Primat in den Geschichten zu geben. Neben der Unterhaltungsfunktion ist das oftmals die wichtigste explizite Funktion nachfolgender Fantasy. Sie findet sich in gleicher Ausprägung selbst bei auf die Psyche fokussierenden fantastischen Bildungsromanen wie Harry Potter. Denn Rowlings Geschichten beziehen viel von ihrer Attraktivität aus dem Konflikt zwischen jugendlich-aufgewühlter Psyche und von außen herangetragenen Moralprinzipien. Fünftens zwingt Morris die Rezipienten zur aktiven Aneignung der imaginären Welt und sechstens spielt die Sprache, als Schöpfungswerkzeug innerhalb der Geschichten wie auch als Darstellungswerkzeug eine bedeutende Rolle. Beides sind Erkennungsmerkmale sowohl des absoluten Fantasyklassikers Der Herr der Ringe als auch noch der modernsten Fantasy, etwa bei Tad Williams, der sonst in Aufbau und Tempo seiner Geschichten nahezu das Gegenteil von Morris darstellt.

Der irische Schriftsteller Edward John Moreton Drax Plunkett, besser bekannt unter seinem Adelstitel Lord Dunsany, ist der nächste wichtige Fantasyschriftsteller. Lord Dunsany war 18. Träger des Titels Baron von Dunsany, einer bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Familie. Seine ungebrochene Bekanntheit verdankt sich allerdings seinen schriftstellerischen Arbeiten und darunter vor allem seinem berühmtesten Werk The King of Elfland´s Daughter, das, völlig undisputiert, zu den Meisterwerken des Genres zählt, nicht zuletzt wegen seiner stilistischen Brillanz.

Es sind vor allem dieser grandiose Stil und die sprachliche Qualität, wegen derer ich Lord Dunsany an dieser Stelle hervorheben möchte. Er schrieb in einem „ganz eigenen Mix aus Rhythmus und Vokabular der King James-Bibel, keltischen Poeten und Geschichtenerzählern wie William Butler Yeats“ (Clute/ Grant 1997, 302). Als reiner Fantasy-Schriftsteller war er nicht so produktiv, wenn man ihn mit vielen anderen Autorinnen und Autoren der Zunft vergleicht, er war jedoch in anderen Genres umso arbeitsamer. In seinen phantastischen Werken aber kommt der Stil und die ganze Brillanz Dunsanys zum Tragen, denn Fantasy lebt von Sprache und von dem Erfinden phantastischer Orte, Personen, Tiere, Welten und Ereignisse. Dies Erfinden geschieht im Medium Sprache und das Prägen von Worten macht einen wesentlichen Teil dieser Erfindungen aus. Im Prägen von Worten aber gab es vielleicht keinen anderen Autoren, der Dunsanys Ästhetik erreichte. Sprache wird einfach nicht schöner als in The King of Elfland´s Daughter.

Die Königstocher aus Elfenland ist die Geschichte des jungen Alveric, Sohn des Herrschers des Landes Erl und seiner Liebe Lirazel, der Tochter des Elfenkönigs, der in einem nicht näher bestimmten, aber sicherlich nicht völlig innerhalb der Grenzen der physischen Welt liegenden Reich regiert. Alveric dringt in das Elfenland ein und gewinnt das Herz Lirazels. Die kommt mit in die normale Welt, gebiert einen Sohn und hält es trotz der Liebe zu Mann und Sohn nicht in der profanen Realität aus. Mit Hilfe der Magie ihres Vaters flieht sie zurück ins Elfenland wo sie aber auch nicht mehr glücklich wird, während Alveric und ihr Sohn jeder auf seine Weise an der normalen Welt verzweifeln und die magischen Lande suchen. Es ist eine im Vergleich zur heutigen Fantasy sehr ruhige, nahezu völlig actionfreie Geschichte über die Unvereinbarkeit von profaner und magischer Welt und darüber, dass doch die eine Realität ohne die andere nicht sein kann und dass niemand glücklich wird, der beide kennt und dann auf eine von beiden beschränkt sein Leben fristen muss. Das ist ein ganz typisches Thema für die Fantasy – wie auch für die Romantik, die sich hier besonders deutlich als Vorfahr der Fantasy zeigt – und zeichnet für vieles an genretypischer Melancholie verantwortlich. Hier spiegelt sich natürlich im Grunde auch die alte Geschichte der vermeintlichen, aber im frühen 20. Jahrhundert besonders stark empfundenen, Unvereinbarkeit von Logos und Mythos wider. Zugleich drängt sich aber bei Dunsany, ohne dass es allerdings in der Geschichte dazu kommt, dafür ist sie zeitgemäßer Überzeugung nach eben nicht in der Lage, die Lösung für das Problem von Logos und Mythos auf – sie müssen als Ganzes begriffen und denkend wie fühlend als Ganzes erfahren werden.

Neben der verträumten, der edlen und anspruchsreichen High Fantasy gibt es natürlich auch den schmuddeligen Bruder, das hack´n slash der Sword & Sorceries, versinnbildlicht vor allem durch den Namen Conan. Der US-Amerikaner Robert E. Howard (1906 – 1936), sein Hauptwerk wurde während der großen wirtschaftlichen Depression in den 1930er-Jahren geschrieben, antwortet auf die Phänomene seiner Zeit mit der Erfindung von Selfmade-Helden, die undurchsichtige Verhältnisse und Umstände mit dem Schwert in der Hand wegräumen. Das war wahrscheinlich ein Wunschbild von Millionen von Menschen, die in jener Zeit den wirtschaftlichen Ruin erfuhren. Letztlich wurde Howard damit zu einem der einflussreichsten Fantasyschriftsteller überhaupt.

Die Plots der Howardschen Fantasy sind zwar keinesfalls so stereotyp wie diese viel zu kurze Vorstellung suggerieren mag, sie weisen aber doch gewisse durchgängige Handlungsmuster auf, die sich darin zusammenfassen lassen, dass die Helden auf Gegner treffen, die von Machtmissbrauch korrumpiert sind und sich auf einen großen oder übernatürlichen Apparat von Dienern, Gehilfen oder Untertanen stützen können, die ihre Position und Schätze absichern. Die Helden treten demgegenüber allein oder in einer kleinen Gruppe auf und verfügen über all die Machtmittel ihrer Gegner nicht. Allein auf Grund ihrer rein menschlichen Fähigkeiten (auch wenn sie mit Kraft, Willen in einem Ausmaß gesegnet sind, wie dies üblicherweise von Menschen nicht erwartet werden kann) gelingt es ihnen, den übermächtigen / übernatürlichen Widersacher zu besiegen. Es ist einmal natürlich die Inkarnation des amerikanischen Traums, über alle Maßen seines Glückes Schmied sein zu können, die sich hier ausdrückt. Aber der Furor, der sich in den gewaltigen wie gewalttätigen Beschreibungen der Abenteuer, besonders Conans, niederschlägt und mit dem der Einzelheld sich gegen Armeen und Herrscher durchsetzt, ist vor allem Ausdruck der Wut und Verzweiflung sowie das bewusste oder unbewusste Ausleben von Wunschträumen angesichts einer als ungerecht und undurchschaubar empfundenen Welt, die Howard sowohl als Zeitzeuge wie als persönlich Betroffener erlebte. „Ein bitterer Unterton haftet der ganzen Serie an“ (Louinet 2003, 20). „Offenbar kann der größte Teil von Howards Werk – und namentlich der Conan-Stories – als Bearbeitung des Themas »Barbarei gegen Zivilisation« verstanden werden, wobei Howard unbeirrt auf der Seite der Barbaren steht“ (Louinet 2003, 19). Howards Werk ist, wenn man Stil und Diktion einmal intensiv auf sich wirken lässt, eine von Verzweiflung getragene Zivilisationskritik, die selbst einen grausamen Gott wie Crom als freundlicher, weil ehrlicher (!), erscheinen lässt, als alle Errungenschaften von Moderne und Zivilisation.

Doch Fantasy besteht nicht nur aus High Fantasy und dem vermeintlichen ‘hack´n slash’ von Sword & Sorcery, sie umfasst ein weiteres Gebiet, das nicht nur zahlreiche verwandte, aber unterscheidbare Nachbargenres wie die Science Fiction und die Märchenformen aufweist, sondern auch innerhalb ihrer Grenzen Raum für Experimente bildet. Experimente wie das des Engländers David Lindsay (1876 – 1945), eines wenig bekannten und auch wirtschaftlich völlig erfolglosen Schriftstellers, der mit A Voyage to Arcturus ein surreales Meisterwerk geschaffen hat. Oder Experimente wie die  Gormenghast-Trilogie des englischen Malers und Schriftstellers Mervyn Peake, der mich in seiner Exzentrizität und dem innovativen Erzählstil besonders an James Joyce erinnert. Lindsays Werk nenne ich exemplarisch an dieser Stelle, um die Weite Genres anzudeuten. Eines Genres, das ja außerdem noch Science Fantasy kennt, Dark Fantasy und viel andere Themen und Ausrichtungen. Lindsays Arcturus steht in seiner misanthropischen Grundhaltung und pessimistischen Weltsicht als Prototyp für eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung der Fantasy, wie sie in der phantastischen Literatur allgemein nicht ungewöhnlich ist, für die Fantasy aber recht atypisch erscheint.

Lindsay war ein Mann über den nicht sehr viel bekannt ist, was sicherlich auch an seiner zu Lebzeiten ausgeprägten Erfolglosigkeit liegt. Er arbeitete bis zum Ersten Weltkrieg als Versicherungsangestellter, wurde im Krieg Soldat und beschloss nach dem Krieg, Schriftsteller zu werden. Es ist wohl nicht unzulässig anzunehmen, dass Lindsay zu den Menschen gehörte, die die speziellen Schrecknisse dieses Krieges literarisch verarbeiten wollten. Tolkien und T.S. Eliot sind bedeutend bekanntere Beispiele dafür, aber Stil und Inhalt der Reise nach Arcturus deuten daraufhin, dass ihn Ähnliches bewegte (vgl. Clute 2002). Arcturus entstand sofort nach dem Krieg und erschien 1920. Von der ersten Auflage wurden nur 600 Stück verkauft und zunächst gab es keine weitere. Lindsay versuchte sich auf andere Weise und in anderen Genres verständlich zu machen, doch seine pessimistische Philosophie fand beim Publikum in keiner Weise Gehör. Das änderte sich im Laufe der Jahre im Falle der Voyage. Die Auflagenzahlen blieben gering, aber in jeder Generation der Leserschaft gibt es eine kleine Gemeinde, die das Werk für sich entdeckt und vor dem Vergessen bewahrt.

Die Geschichte erzählt von der Reise eines Mannes namens Maskull auf einen nicht bloß phantastischen, sondern surreal anmutenden Planeten, eben Arcturus. Nicht nur die Landschaft, Fauna und Flora sind bizarr, auch Moral und gesellschaftliches Leben sind von bemerkenswerter und ebenso anziehender wie abstoßender Fremdheit. Im Grunde überzeichnet Lindsay jedoch nur, was auch in der realen Welt erlebt werden kann. Die Überzeichnungen sind grotesk, die Beiläufigkeit mit der sich immer wieder Brutalität Bahn bricht (auch durch den Helden) ist abstoßend, doch in dieser Geschichte und ihrer Aussage ist das alles genau am richtigen Platz. Es ist eben keine schöne Geschichte, aber es ist auch keine schöne Lebensphilosophie die Lindsay da zum Ausdruck bringt. Er vertritt diese Philosophie jedoch nicht etwa, er leidet an ihr, das zeigen Stil und Duktus deutlich. Die Welt Arcturus ist gnostisch gedeutet, ihre materielle Verfasstheit ist schlecht und korrupt (Clute 2002, XIII), aber anders als die Lehren der Gnosis, die an die Möglichkeit zum Ausbruch aus der Bosheit der materiellen Welt glaubt, erfährt Lindsays Held Maskull seine Reise nach Arcturus als ein Sisyphuserlebnis, aus dem es keine Rettung gibt. Nicht in Stil und Inhalt, aber in der Aussage erinnert das sehr an Eliots Waste Land und wird so auch nach Lindsays Tod gewürdigt und immer wieder gelesen. Die Auslöser für Lindsays pessimistische Weltsicht sind in der Realität ja weiterhin alle vorhanden …

In eine ähnliche Richtung weist oftmals die Dark Fantasy, die eng verwandt mit dem Horrorgenre ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist der US-amerikanische Schriftsteller und Bildhauer Clark Ashton Smith. Er antwortet anfangs des 20. Jahrhunderts auf die zeitgenössischen Phänomene mit düsteren Endzeitvisonen, paradigmatischen Beispielen für Dark Fantasy. Die Kurzgeschichten seines Zothique-Zyklus spielen in einer Millionen von Jahren entfernten Zukunft auf einer durch das langsame Verlöschen der Sonne zum Untergang verurteilten Erde, auf der die letzten Menschen, die die heutige Technik gegen den Gebrauch von Magie eingetauscht haben, sich dekadentesten Ausschweifungen und sadistischen Vergnügungen hingeben. Die einzelnen Geschichten Smiths haben nur selten einen glücklichen Ausgang, üblicherweise weil sie von moralisch zweifelhaft handelnden Zauberern oder Abenteurern berichten, die ihr selbst bereitetes Schicksal auf Grund von Machtmissbrauch und Egoismus völlig verdient haben.

Es sind orientalisch inspirierte Verfalls- und Untergangsgeschichten, die Smith da in düstersten Farben malt, in denen der Mensch es immer wieder schafft, den sowieso schon ausreichend Schrecken erregenden Untergang der Erde durch selbstgemachten Schrecken zu übertrumpfen. So verstanden ist dies dunkelste Fantasy, die man durchaus als zynische Reaktion auf die Zeit des Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise lesen kann. Entsprechend gehören die Arbeiten Smiths zum Subgenre der Dark Fantasy, für das Smith einer der einflussreichsten Vertreter war.

„Fantasy ist eine lebendige, sich stets ausweitende Literatur“, so die völlig richtige Aussage Thomas Le Blancs (2003, 6), das heißt dann aber eben auch, dass schöne Ritterspiele in der Art Thomas Malorys nicht alles sein können, was das Genre umschließt. Dann muss auch das Kranke und die Unheilbarkeit thematisiert und allegorisiert werden können. Rosemary Jackson hielt fest, dass Fantasy immer mit der Überschreitung und Auflösung von Grenzen zu tun habe. Dann müssen Grenzen auch innerhalb des Fantasykorpus überschritten und eingefahrene Wege verlassen werden, so wie Lindsay und Smith es auf ungewohnte, schwierige und teilweise verstörende und unangenehme Art und Weise tun und damit als prototypische Beispiele für die Weite des Genres stehen.

Damit sind die wichtigsten Punkte der Fantasyliteratur anhand einiger Beispiele erwähnt. Die eigentliche Geschichte des Genres hat mit Lindsay 1924 oder Lord Dunsanys Königstochter aus dem gleichen Jahr allerdings gerade erst begonnen. Doch ich will in diesem kurzen Vortrag keine historische Bibliographie der Fantasy vorstellen, sondern nur eine Einführung in das Genre liefern. Auch war leider gar kein Platz um auf die reiche Fantasygeschichte von Film, Musik, Kunst und Spiel einzugehen. Falls Sie einen Überblick über die geschichtlichen Daten des Genres suchen, so finden Sie den in der Bibliotheka Phantastika, die eine Liste dieser Daten unterhält.

Worauf es mir dabei ankam, war, zu zeigen, dass Fantasy erstens weitreichende Wurzeln hat, die bis an die Lagerfeuer der Steinzeit zurück reichen. Und dass sie zweitens ein Genre ist, das nur vordergründig von Irrealem, von Unmöglichem erzählt, in Wirklichkeit aber sich des Unmöglichen bedient, um das Reale zu kritisieren und das Mögliche aufzuzeigen. Überhöhen will ich das Genre damit nicht. Denn zuallererst ist Fantasy Unterhaltung. Die Spielewelten von World of Warcraft und Everquest oder Filme wie Piraten der Karibik dienen wohl weniger der Zivilisationskritik. Auch Fantasy von der Stange, wie sie uns in Form der Kreaturenreihe von Markus Heitz, Bernhard Hennen und anderen präsentiert wird, dürfte später einmal nicht zu den ‘must haves’ der Literaturgeschichte gezählt werden. Aber schon bei Harry Potter verschwimmen die Grenzen von bloßer Unterhaltung zum Bildungsroman. Wer weiß, vielleicht wird er einst neben Robert Musils Zögling Törleß in der Schule gelesen werden?

Worauf es mir dabei ankam, war, zu zeigen, dass Fantasy erstens weitreichende Wurzeln hat, die bis an die Lagerfeuer der Steinzeit zurück reichen. Und dass sie zweitens ein Genre ist, das nur vordergründig von Irrealem, von Unmöglichem erzählt, in Wirklichkeit aber sich des Unmöglichen bedient, um das Reale zu kritisieren und das Mögliche aufzuzeigen. Überhöhen will ich das Genre damit nicht. Denn zuallererst ist Fantasy Unterhaltung. Die Spielewelten von World of Warcraft und Everquest oder Filme wie Piraten der Karibik dienen wohl weniger der Zivilisationskritik. Auch Fantasy von der Stange, wie sie uns in Form der Kreaturenreihe von Markus Heitz, Bernhard Hennen und anderen präsentiert wird, dürfte später einmal nicht zu den ‘must haves’ der Literaturgeschichte gezählt werden. Aber schon bei Harry Potter verschwimmen die Grenzen von bloßer Unterhaltung zum Bildungsroman.

Wer weiß, vielleicht wird er einst neben Robert Musils Zögling Törleß in der Schule gelesen werden?

1 Man sollte vielleicht besser sagen, dass diese sechs Dinge zunächst vor allem Bestandteil der klassischen Stilrichtungen High Fantasy und Sword & Sorcery sind. Aber wenn man sich bspw. die alternative Urban Fantasy und andere Subgenres genau ansieht, wir man sehen, dass diese sechs Elemente zu großen Teilen auch in ihnen auftreten, selbst wenn ein Shadowrun-Roman vordergründig in Chicago oder Berlin zu spielen scheint und dem Cyberpunk stilistisch nähersteht als Tolkien.

 

(Bochum 09/08)