Collage: eine Bewerbung

© Frank Weinreich


Bewerbung!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich nehme höflichst Bezug auf unsere Unterredung vom 8. diesen Monats und erlaube mir hiermit eine Bitte um Einstellung, und zwar ein Gesuch nach nebenberuflicher Anstellung, oder auch hauptberuflicher Anstellung. Meine Leistungen werden Sie zufriedenstellen und mit Leib und Seele und Fleisch und Blut will ich mich dieser Sache verschreiben.

Ich habe großes Interesse an selbstständiger, pflichtbewusster Arbeit, habe gehört, dass hierzu keine anderen Bedingungen in Frage kommen wie ein guter Ruf und ich glaube, die nötige Entschlossenheit zu besitzen, mich der Aufgabe mit jeder gebotenen Ruhe – auch wenn es, wie hier, um etwas nicht Alltägliches geht – zu widmen. Was das für ein schwerer und ernster Beruf ist, dessen bin ich mir voll bewusst.

Ich fühle das Bestreben in mir, im Leben weiter zu kommen und an dem Beruf, den ich erlernt habe, habe ich nie Spaß gehabt. Jahrelang ringe ich in meinem Berufe vergeblich um eine dauernde Lebensverlässlichkeit. Ich habe immer nur ganz spärlichen Verdienst gehabt, kurz: Mein jetziger Beruf gibt nicht die entsprechende Grundlage für eine ausreichende Existenz. Doch mein Lebenslauf ist immer tadellos gewesen und mein Charakter ist durchaus ehrlich. Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet, 1 Kind, bin gesund und zielbewusst sowie fest entschlossen und schrecke vor nichts zurück. Ich würde den mir gestellten Aufgaben mit großem Fleiß und Pflichtbewusstsein nachkommen.

Jahrelang drängt eine innere Stimme mich zu diesem Beruf, als habe die Vorsehung mich hierzu bestimmt. Ich bin mir meiner Pflicht und Verantwortung als solcher voll und ganz bewusst. Die naturgemäß hohen seelischen Belastungen haben für mich auch keine Bedeutung, da ich nicht etwa Gefühlsroheit, sondern eine ausgezeichnete Lebensphilosophie besitze. Irgendwelche Hemmungen, die der Beruf mit sich bringen könnte, bestehen bei mir nicht. Da die Zahl derer sicherlich sehr klein sein wird, die sich bereit finden, so bitte ich, mich mit einer solchen Aufgabe betrauen zu wollen. Strengste Geheimhaltung sichere ich Ihnen zu. 

Nun bitte ich um Verständnis meiner Angelegenheit, sowie um Gewährung meines Gesuches und gebe der festen Versicherung Ausdruck, dass ich mit meinem mir zur Verfügung stehenden Gehilfen stets ohne Zwischenfall sicher und blitzschnell, sei es mit dem Handbeil oder dem Fallbeil, in Aktion treten werde.

Mit deutschem Gruß
Max Mustermann


Eine typische Bewerbung? Vielleicht sogar typisch deutsch? Ja, in gewissem Sinne schon, denn das Anschreiben setzt sich aus Originalzitaten deutscher Bewerbungsunterlagen zusammen. Die allerdings wurden einem bestimmten, einmaligen Zusammenhang entnommen: Das oben publizierte Bewerbungsschreiben ist eine Collage, die aus Formulierungen zusammengesetzt wurde, die ich echten Bewerbungsgesuchen entnahm, die in den Dreißiger und Vierziger Jahren mit der Bitte um Einstellung als Scharfrichter an das Reichsinnenministerium der Nazis gestellt wurden.

Sämtliche Formulierungen sind authentisch und wurden von mir nur um Füllwörter und Konjunktionen ergänzt sowie um Rechtschreibfehler bereinigt und schließlich in einen sinnvollen Aussagezusammenhang gebracht. Auch wenn das Schreiben damit fiktiv ist, sind der egozentrische und empathielose Duktus sowie die schleimige Herangehensweise allen zugrundeliegenden echten Bewerbungsschreiben gemein. Eben doch eine typische Bewerbung …

Der TAZ-Redakteur Klaus Hillebrand hat Tausende von Originalbewerbungen gesichtet und eine Auswahl in der Sonntaz vom 4.9.2010, S. 18-19, veröffentlicht. Die Bewerbungsschreiben selbst sind leider nicht im Netz dokumentiert, den Artikel über diese Gesuche finden Sie hier.